Montag, 7. März 2011

Kurze Anmerkung zur "Revolution" in Ägypten

Unsere allwissenden Medien feierten den Abschied Mubaraks aus seinem Amt als Revolution der Ägypter. Daß es nur ein wenig blutiger Putsch des Militärs war, scheint niemand der Gesinnungsschreiberlinge mitbekommen zu haben – oder man wollte es nicht merken. Mein Tip im Freundeskreis war: Der Vize übernimmt, dann das Militär, und nach und nach verschwinden die Anführer der Opposition.

Mittlerweile nimmt das Konturen an. Der Aktivist Amr Abdallah Elbihiry wurde lt. einer Meldung von Al Jazeera zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren verurteilt, abzuleisten in einer Militärhaftanstalt. Elbihiry wurde während einer friedlichen Demonstration verhaftet, die den Rücktritt von Premierminister Ahmed Shafiq forderte.

Auch die Prügelägypter sind wieder in Aktion zu bewundern. Arutz meldet: "Egyptian Security Forces Attack Protesters with Sword". Die klammheimliche Freude ist kaum zu überlesen. Recht haben die östlichen Nachbarn: Dieselben Methoden wie unter Mubarak. Wieder werden Oppositionelle verfolgt, während die Welt ihr Gefallen an der "Revolution" äußert (langanhaltendenr rhythmischer Beifall, Hoch-Rufe auf die Genossen der Partei- und Staatsführung).

P.S.: Dasselbe könnte man über Tunesien sagen. Auch dort sitzt die alte Garde noch auf dem Thron und läßt schon wieder auf Protestler schießen. Und was senden westliche Medien? Eine tolle Revolution!

Ich habe den Eindruck, in den Satrapien soll sich nichts ändern, alles soll so bleiben, wie es ist. Und nur ein Land profitiert davon.

Update: Wie Ma'an berichtet, hat das regierende Militär die Schlinge um den Hals Gazas noch straffer gezogen als vorher.
"It's the same suffering and the same pretext we hear when we try to cross via [Israel's] Erez crossing in the north," he said.(Klick!)

Sonntag, 6. März 2011

Zum angeblichen Atomwaffenprogramm des Iran, Teil I


Das zivile Nuklearprogramm des Landes ist wesentlich älter als die islamische Revolution. Also wird zu erörtern sein, wie es entstand, welchen Status es erreicht hat und welche Beweise für die Behauptung vorliegen, dass der Iran über ein Atomwaffenprogramm verfüge. Zu untersuchen ist weiterhin, wer diese Unterstellung ab wann verbreitete und wer Atomwaffen in der Region besitzt.


Das zivile Nuklearprogramm des Iran

Am 15. März 1975 verkündete die New York Times, dass der Iran in den USA über einen Zeitraum von fünf Jahren $15 Milliarden für „Güter und Dienstleistungen“ ausgeben werde. Diese Angaben seien auf einer gemeinsamen Pressekonferenz des iranischen Finanzministers Hushang Ansary und des US-Außenministers Henry Kissinger gemacht worden. Die Zeitung schreibt weiter:
In addition to the target figure of $15-billion—an increase of about 30 per cent over current Iranian spending in the United States—Iran agreed in principle to spend about $7-billion more on as many as eight large nuclear power plants in the next decade, with total power of 8,000 electrical megawatts.
     Although Iran is a major exporter of oil, the communiqué issued at the end of two days of talks between members of the United States-Iran Joint Commission emphasized the “nonoil” aspects of the agreement.
     […]
    The expert said that the $7-billion to be spend on development projects would be largely devoted to purchasing the nuclear power plants, along with associated water desalting plants, over the next decade. (New York Times, 5. März 1975, pp. 1, 9.)
Dieses Abkommen war nicht das erste seiner Art. Bereits 1974 hatte dieselbe Zeitung gemeldet, dass sich Frankreich bereit erklärt hatte, fünf Atomreaktoren im Wert von $1,1 Milliarden an den Iran zu liefern (New York Times, 28. Juni 1974, pp. 1, 45). Einbegriffen waren die Ausbildung iranischer Wissenschaftler und Techniker und die Schaffung eines Kernforschungszentrums.

Die New York Times unterstrich:
The agreement provides that both parties will respect their “international obligations”. France has signed the Euratom Treaty which prohibits dissemination of weapons or weapon-making capacity to non-nuclear powers, and Iran has signed and ratified the Nuclear Nonproliferation Treaty, which calls for the safeguard system of the International Atomic Energy Agency. (Ebd.)
 Als der Schah in Paris während einer Pressekonferenz nach eventuellen Plänen zur Entwicklung von Atomwaffen befragt wurde, erklärte er, sein Land sei seit mehr als fünf Jahren bereit
to turn our area into a non-nuclear zone, that is, an area, where no nuclear weapons should be used or stored. And we stick to this policy. (Ebd.)
Auf der gleichen Pressekonferenz äußerte der Schah seinen Wunsch, die Erdölindustrie des Landes zu verstaatlichen und Ölgeschäfte auf Staatsebene abzuschließen. Dafür war sein Vorgänger während der CIA-MI-6-Operation „Ajax“ aus dem Amt geputscht worden.

Wir sehen, sowohl die Politiker Frankreichs als auch der Vereinigten Staaten von Amerika hatten bis dahin keine Bedenken, dem Iran Nuklearreaktoren/-kraftwerke zu verkaufen. Und: Deren Bau und Betrieb sollte von Anfang an der Kontrolle durch die IAEA unterworfen werden.

Auch Westdeutschland beteiligte sich an den Atomgeschäften mit dem Iran. Am 6. Juli 1976 lesen wir wieder in der New York Times:
West Germany and Iran have signed two atomic pacts, one of which officially approved completion of multibillion dollar twin reactors that have been under construction for nearly a year.
Following signing ceremonies yesterday, officials of the two countries pledged that the plants would be used for peaceful purposes only.
     Iran signed a nuclear cooperation agreement with France in 1974. But the German agreement was the first firm construction contract signed by Iran. (
New York Times, 7. Juli 1976, p. 22.)
 Am 9. März 1975 erschien ein Beitrag, der die Hintergründe der Atom-Abkommen beleuchtete. Unter dem Titel „Iran Has Plans For When the Oil Runs Out“ lesen wir:
Iran, mindful that even her 60-billion-barrel reserve of oil will some day run out, has been spending billions of petrodollars on an alternative energy source, nuclear power. Deals have been made with France, West Germany and last week, the United States.
     Since India last year used Canadian and United States industrial nuclear material to explode an atomic bomb, the question arises as to Iran’s real intentions. The Shah has also been purchasing billions of dollars worth or. weapons, many of which can be equipped with nuclear arms. He also has spoken about expanding Iran’s sphere of influence.
     The Teheran Government insists the purchases are for peaceful purposes only. Moreover, Iran has publicly called for United Nations action to keep the Persian Gulf area free of nuclear weapons.
     Secretary of State Kissinger said that the nuclear deals would be subject to the “safeguards that are appropriate” under the Nuclear Nonproliferation Treaty, to which Iran is a signatory. But India is not “It is not a deliberate policy of the United States to spread nuclear technology around,” Mr. Kissinger said.
Als problematisch sahen US-Vertreter die Möglichkeit, dass verbrauchtes Uran genutzt werden könnte, um Plutonium zu produzieren. Dem sollte durch zusätzliche Kontrollen begegnet werden, an denen US-Vertreter schon arbeiteten:
Despite Mr. Kissinger’s assurances, however, differences over what to do with uranium fuel after it has been used in the power plants have delayed completion of the deal. The spent fuel can be used to produce plutonium, which in tum can be used to make atomic bombs.
     Officials are trying to work out safeguards, especially if Iran is to reprocess the fuel. (Ebd.)
Dieser Artikel ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen sah der Iran offensichtlich schon 1974 voraus, dass sein Ölreichtum nicht ewig halten würde, sondern dass im Gegenteil sofortige Investitionen durch mehrere Länder nötig seien, um sein Land auf die Energiegewinnung durch Atomkraft umzustellen. Zum anderen bestätigte US-Außenminister Kissinger, dass der Bau dieser Anlagen von Anfang an unter die Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde gestellt würde.

Die Ausbildung der iranischen Nuklearwissenschaftler und -techniker am MIT (mit dem Ziel des Master-Abschlusses) war nicht unumstritten. Studenten betonten, es handele sich beim Schah von Persien um einen Despoten, der das Wissen für die Entwicklung von Atomwaffen missbrauchen könne. Die Bedenken im Lehrkörper gingen allerdings in eine andere Richtung:
Some faculty members have also expressed reservations, although they are less concerned with the political issues raised by the students than worried that such specially funded programs might compromise the academic integrity of M.I.T. and the worth of its degrees. (New York Times, 27. April 1975, p. 16.)
Das Ausbildungsprogramm für die Iraner wurde letztlich mit Zweidrittelmehrheit bestätigt — wohl nicht zuletzt deswegen, weil die Einnahmen aus der Übereinkunft die Einstellung von drei neuen Mitarbeitern erlaubten. (Ebd.)

Der Chef der nukleartechnischen Fakultät äußerte sich zu den möglichen Folgen für die Verbreitung von Atomwaffen so:
Dr. Hansen dismissed the worries about nuclear proliferation by noting that other disciplines, such as chemistry, were more relevant to the production of weapons; that the type of reactors used in Iran were not so capable as others of producing convertible plutonium; that Iran was a signer of the nuclear nonproliferation treaty, and that, in any case, much of weapons technology was now common knowledge.
     “Any technical education for intelligent people will be enough for them to make weapons using publicly available sources of information,” he said.
Während in US-Zeitungen Stellenanzeigen erschienen, in denen Personal für den Bau von Nuklearanlagen im Iran angeworben werden sollte, verwehrte sich Irans Premierminister Hoveida bei einem Besuch in Paris gegen den Vorwurf, sich zusammen mit Israel und Südafrika Atomwaffen verschaffen zu wollen:
Mr. Hoveida scoffed at the suggestion that there was a “nuclear axis” growing through Iran, Israel and South Africa. The Prime Minister said such an axis would be a “zigzag” and added that Iran was buying plutonium “a little bit in all parts of the world” for peaceful energy development purposes. (New York Times, 29. Mai 1976, p. 5.)
Keine Achse des Bösen also. Und der Schah? Der hatte sich in einem Interview im Herbst 1975 so geäußert:
Everyone knows that if this country is attacked, we are going to resist and they’ll have to concentrate a lot of troops to overcome us. An atomic attack? That’s beyond us, but if that happened, it would involve you. I don’t think the rest of the world, Europe or American, could afford to lose Iran.
[...]
     Honestly. I am not really thinking of nuclear arms. But if 20 or 30 ridiculous little countries are going to develop nuclear weapons, then I may have to revise my policies. Even Libya is talking about trying to manufacture atomic weapons—God knows for what purpose.
(New York Times, 25. September 1975, p. 8.)

Lächerlich kleine Länder mit Atomwaffen?

Wird fortgesetzt ...