Mittwoch, 18. Mai 2011

Zum angeblichen Atomwaffenprogramm des Iran, Teil II

Mit der iranischen Revolution 1979 veränderte sich die Lage am Persischen Golf dramatisch: Ein (vermeintlich) ölreiches Land inmitten von Lakaien des Westens, das sich den führenden Kulturnationen der Welt nicht mehr unterordnen wollte -- unerhört.

Dabei standen die nuklearen Aktivitäten des Landes, die unter dem Schah begonnen worden waren, zunächst nicht im Zentrum der Überlegungen, nicht einmal in denen der israelischen politischen Klasse.

Khomeini empfing Ruth Ben-David im Dezember 1978 in seinem Pariser Exil. Sie war von Menachem Begin zu ihm gesandt worden, um die Beziehungen zwischen Israel und einem Iran unter Khomeini zu erörtern. Sie erkundigte sich auch nach dem Schicksal, das die iranischen Juden zu erwarten hätten.

Zwischen Khomeini und Frau Ben-David bestand eine alte Freundschaft. Lt. Ari Ben-Menashe war sie die einzige Frau, mit der der Ayatollah allein in einem Raum bleiben würde ("Profits of War", p. 42). Ben Menashe weiter:
According to accounts directed to intelligence analysts from the Prime Minister's Office, the meeting with the Ayatollah was very friendly. Khomeini made it clear that the Iranian Jews were Iranian citizens and Islam respected Judaism and all other religions that were not seen as heresy. He would not allow Baha'is to practice their religion in Iran, because in Islamic law it is stated that prophets who came before the Prophet Mohammed, including Moses and Jesus Christ, were true prophets, but anyone who came after him claiming to carry the word of God was a heretic, and heretics should be put to death. The Prophet Mohammed was the seal. Khomeini added that the Israeli state in Palestine was also a heresy and should not exist. However, the first interest of the Islamic state was to bring Islam and Islamic government to the Moslem populations in the Arab countries and rid the Moslem world of heretic governments. He also said that Mecca and Medina had to be liberated from the Saudis. 
His message to Begin was clear: Don't worry, Israel. First on my agenda is to deal with my Arab enemies. Then I will deal with Israel. (Ebd.)
Nach Khomeinis Machtergreifung wurden von ihm zwei wichtig Erlasse verabschiedet: eine Fatwa zum Schutz der Juden im Iran und die Einstellung aller nuklearen Aktivitäten.


Die Beziehungen zwischen dem Iran und Israel ließen sich trotz der feindlichen Rhetorik nicht schlecht an. Mitte März 1981 trafen sich der iranische Präsident Abol Hassan Bani-Sadr und der israelische Botschafter in den USA (und enger Freund Menachem Begins), Professor Moshe Arens, in Südfrankreich. Bani-Sadr war zu der Zeit auch der Oberkommandierende der iranischen Armee. Das Thema der Unterredung war ein Luftangriff auf den irakischen Forschungsreaktor Osirak (Tammus). Der Termin war für den 7. Juni 1981 gesetzt, ein Peilsender von einem Mossad-Team plaziert, der Notfall-Landeflugplatz nach dem Angriff ausgewählt: Tabriz im Norden des Iran.

Nach dem erfolgreichen Abschluß der Operation dankte der Kommandeur der iranischen Luftwaffe Menachem Begin persönlich per Telefon. Bani-Sadr beließ es bei einer oberflächlichen Verurteilung der Verletzung der Souveränität eines anderen Landes. (Ebd.)

Das hinter den Kulissen gute Verhältnis sollte sich trotz der Iran-Contra-Affäre und zusätzlicher israelischer Waffenlieferungen an den Iran allerdings schnell verschlechtern. Das Land war den Herren in Washington ein Dorn im Auge, wozu die Botschaftsbesetzung ihr übriges getan hatte. Also setzte ein propagandistisches Kesseltreiben ein, und als Mittel zum Zweck diente eine angebliche nukleare Gefahr.

Im folgenden gebe ich eine Auflistung verkürzt wieder, die Nima Shirazi auf seinem Blog "Wide Asleep in America" zusammengetragen hat. Die detaillierten Informationen sind dort nebst Updates einzusehen: Klick!
  • 24.4.1984: Iran hat Atombombe 1986.
  • 27.6.1984: Iran hat Bombe in sieben Jahren.
  • April 1987, nachdem sich nichts getan hatte: Bedrohung mit iranischer Bombe immanent
  • 1988: Iraker behaupten, der Iran stehe vor der atomaren Schwelle
  • 1991: CIA: Iraner haben alle notwendigen Teile für den Bau von zwei bis drei Atomwaffen
  • Januar 1992: Netanyahu: Iran werde in drei bis fünf Jahren allein eine Atomwaffe entwickeln können
  • Februar 1992: House of Representatives: Iran werde im April zwei oder drei Atomwaffen haben
  • März 1992: Iran habe bereits vier Atomwaffen aus Rußland, CIA: Iran werde Atomwaffen 2000, ooops, nein, 2003 haben
  • Mai 1992: Iran habe bereits zwei Sprengköpfe aus Kasachstan
  • 15.6.1992: IDF-Generalmajor Herzl Budinger: Iran sei am Ende des Jahrzehnts Atomwaffenmacht
  • Oktober 1992: Shimon Peres: Iran werde bis 1999 Atomwaffen haben
  • November 1992: New York Times: Iran werde in ein paar Jahren Atomwaffe haben
  • Ebenfalls 1992: Robert Gates: Iran werde in drei, vier oder fünf Jahren Atomwaffen haben
  • 23.1.1993: Iran gebe bis zu $800 Millionen pro Jahr für Atomwaffenentwicklung aus
  • 24.2.1993: James Woolsey: Iran habe Atomwaffen in acht bis zehn Jahren
  • Ebenfalls 1993: mehrere Zeitungen melden Atomwaffenentwicklungsvertrag des Iran mit Nordkorea, CIA: behauptet Vertrag zwischen Iran und der Ukraine, AFP: Schweiz beliefere den Iran mit Schlüsseltechnologie, Intelligence Newsletter: Frankreich beliefere den Iran, U.S. News & World Report: sowjetische Wissenschaftler arbeiten angeblich in Kasachstan daran, dem Iran waffenfähiges Uran zu liefern
  • Ende 1993: mehrere Quellen: Iran werde Atomwaffen in acht bis zehn Jahren besitzen
  • Januar 1995: John Holum vor dem Congress: Iran könne Atomwaffen im Jahr 2003 haben, Verteidigungsminister Perry: in weniger als fünf Jahren, der Iran werde potentiell eine Atomwaffe aus ehemaligen Sowjetrepubliken kaufen oder stehlen, und zwar "in einer Woche, einem Monat oder fünf Jahren"
  • Ebenfalls 1995: lt. New York Times sei der Iran näher an einer Atomwaffe als gedacht
  • Ebenfalls 1995: Benjamin Netanyahu: drei bis fünf Jahre bis zum Besitz aller notwendigen Komponenten
  • Ebenfalls 1995: Yitzhak Rabin: sieben bis fünfzehn Jahre
  • 15.2.1996: Ehud Barak: 2004
  • 29.4.1996: Shimon Peres: vier Jahre
  • 1997: Israelis sagen iranische Bombe definitiv für 2005 voraus
  • März 1997: wieder John Holum: 2005 bis 2007
  • April 1997: BND: 2002
  • Mai 1997: Los Angeles Times mit Bezug auf israelischen Geheimdienstler: Mitte des nächsten Jahrhunderts
  • 26.6.1997: General Binford Peary: wenn der Iran Uran erhalte, dann habe er die Atomwaffe zum Ende des Jahrhunderts
  • September 1997: Warren Christopher: Iran baue seit Mitte der Achtziger an der Bombe, Netanyahu warnt vor der "gefährlichsten Entwicklung im 21. Jahrhundert"
  • 9.4.1998: Jerusalem Post: Iran habe bereits vier Atomwaffen
  • 21.10.1998: Iran werde Bombe möglicherweise 2003 haben
  • 21.11.1999: AP mit Bezug auf israelische Geheimdienstkreise: fünf Jahre
  • 9.12.1999: General Zinni: in ein paar Jahren
  • Januar 2000: die berüchtigte Judith Miller: Iran könnte jetzt so weit sein, auch wenn es keinen Beweis gebe
  • 9.3.2000: BND: Iran baue an Atombomben und Raketensystemen
  • 27.9.2000: Iran könne um 2005 eine ballistische Nuklearrakete haben, die London oder New York zu erreichen in der Lage sei

Ich spare mir den Rest des Psalms, der Leser wird die Tendenz erkannt haben. Eine weitere Aufstellung der abstrusen Behauptungen aus der jüngeren Zeit findet sich auf Cyrus Safdaris Blog IranAffairs.com: Klick!

Den Abschluß dieses 2. Teils zum angeblichen iranischen Atomwaffenprogramm soll ein Ausschnitt aus einem Interview Trita Parsis mit Shlomo Brom vom Jaffee Center for Strategic Studies bilden:
Brom is an exception. “In many cases, you can see how [planning for worst-case scenarios] leads to self-fulfilling prophecies. That is my debate with many Israelis,” he told me in his small, spartan office at the Jaffee Center for Strategic Studies in Tel Aviv. “It’s much easier to give worst-case scenarios. It usually serves the personal interest of the planner. Because if you are giving the worst-case prophecy, then when it is not realized, everyone is happy. No one remembers it. But when it is realized, you can always say, ‘I told you so.’”He laughed as he said this, but I got the feeling that his level-headedness had not been popular at the Israel Defense Forces.He had been part of the Israeli intelligence apparatus when it systematically overestimated, and at times exaggerated, Iran’s nuclear capabilities.“Remember,”he said mockingly, “the Iranians are always five to seven years from the bomb. Time passes but they’re always five to seven years from the bomb. (Trita Parsi: "Treacherous Alliance", p. 167.)

Wird fortgesetzt ...