Montag, 13. Juni 2011

Maidhc Ó Cathail: Die seltsamen Bettgenossen der arabischen Dissidenten

Dt. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Wenn es stimmt, wie Shakespeare es in seinem berühmten Satz ausdrückte: "Die Noth kan einen Menschen mit seltsamen Bettgesellen bekannt machen" (in: "Der Sturm", 2.2.37f. -- KW), dann müssen die pro-demokratischen arabischen Dissidenten in der Tat ganz arm dran sein.

CyberDissidents.org ist ein Projekt, das 2008 vom in Jerusalem ansässigen Adelson Institute for Strategic Studies gegründet wurde, "um den Schwerpunkt der Forschung auf Online-Aktivitäten der Demokratiebefürworter und Dissidenten im Nahen Osten zu legen, in der Hoffnung, sie in der Heimat zu stärken und im Ausland auf ihre Notlage aufmerksam zu machen". Bis zu seiner Auflösung 2009 war das Adelson Institute beim Shalem Center ansässig, einer umstrittenen Forschungseinrichtung mit Nähe zu rechtsradikalen zionistischen Auffassungen. 1994 gegründet, wurde das Shalem Center zunächst von seinem gegenwärtigen Vorsitzenden, Ronald Lauder, finanziert, dem Erben des Estée Lauder-Vermögens. Lauer ist auch Präsident des Jewish National Fund, der die ethnische Säuberung durch das Pflanzen von Bäumen auf enteignetem palästinensischen Land fördert. Das Adelson Institute wurde 2007 mit einem Darlehen des Casino-Moguls Sheldeon Adelson aus Las Vegas in Höhe von $4,5 Millionen ins Leben gerufen, der, wie Lauder, ein Patron und Vertrauter des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu ist.

Unter der Leitung von Natan Sharansky, dem ehemaligen israelischen Minister, der seinen Kabinettssitz 2005 aufgab aus Protest gegen Ariel Sharons Abzugsplan aus Gaza, veranstaltete das Institut 2007 in Prag eine Konferenz mit dem Titel "Democracy and Security". Es versammelten sich Vertreter Israels; ihre US-amerikanischen neokonservativen Sympathisanten mit ihren nahöstlichen Lieblingsdissidenten im Schlepptau -- vor allem Richard Perles Israel bewundernder syrischer Protegé Farid Ghadry sowie die gerade installierten osteuropäischen Demokraten, die in der Folge der neokonservativ gestützten "bunten Revolutionen" an die Macht gekommen waren; Letztere vermutlich, um die arabischen und iranischen Teilnehmer zu inspirieren, ihnen nachzueifern.

Ein Jahr später gründete Sharanskys Aktivist und Koordinator der Demokratieprogramme am Adelson Institute, David Keyes, CyberDissidents.org mit und arbeitet seitdem als sein Direktor. Während seines Besuchs in den Vereinigten Staaten 2009, wo er die Mission der Organisation und deren Fortschritte vor pro-israelischen Politikern, Aktivisten und der Presse präsentierte, verbrachte Keyes "erhebliche Zeit" mit dem leidenschaftlichen zionistischen Gelehrten Bernard Lewis, einem Mitglied des Beirats der Gruppe während der ersten zwei Jahre ihrer Existenz. Unter seinen bemerkenswerteren Beiträgen zur arabischen Welt gehört Lewis' Konzept eines "Clash of Civilizations" zwischen Islam und Christentum, seine Unterstützung der "Libanonisierung" der Region and sein “vielleicht bedeutendster intellektueller Einfluß zugunsten der Invasion des Irak."

Anscheinend kaum abgeschreckt von seiner israelischen Herkunft, wurden prominente pro-demokratische Aktivisten des Nahen Ostens vom Adelson Institute für ein Projekt im Internet rekrutiert. In seinem Beirat befinden sich der ägyptische Dissident Dr. Saad Eddin Ibrahim, der Gründer des Ibn Khaldun Center for Development Studies und der Arab Organization for Human Rights sowie Vorstandsmitglied der Arab Democracy Foundation, der an der Konferenz in Prag teilnahm; und Samer Abu Libdeh, der Direktor des Interaction Forum, einer Organisation, die die Zivilgesellschaft und die Demokratie fördert und in Amman sitzt, und ein leitendes Mitglied des Center for Liberty in the Middle East (CLIME). Abu Libdeh betätigte sich auch als Gaststipendiat am Washington Institute for Near East Policy (WINEP), einem Think Tank, der vom American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) gegründet wurde.

Auf seiner Website veröffentlicht CyberDissidents.org provozierende Artikel, wie zum Beispiel einen mit dem Titel "Shocking Videos, Photos, and Tweets from Syria", welcher Amateurvideos, digitale Fotografien und Tweets aus Daraa beinhaltet. Er erschien zuerst auf der Website von The Daily Beast, wo auch David Keyes über die Menschenrechtsverletzungen praktisch jedes Regimes im Nahen Osten bloggt -- außer dem, das Palästina okkupiert. Wenn man unstillbaren Appetit von The Daily Beast für arabische Freiheit berücksichtigt, sollte angemerkt werden, daß sein Schöpfer Barry Diller, der auch das Fox TV Network startete, 1983 eine Konklave in Manhattan einberief, um politische Operationen zugunsten Israels in den Vereinigten Staaten zu koordinieren. Übrigens wurde Präsident Obamas ungenügend enthusiastische Unterstützung für die libyschen Rebellen von einem weiteren Teilnehmer, Martin Peretz, dem ehemaligen Herausgeber von The New Republic der nicht bekannt ist für seine Liebe zu Arabern, scharf kritisiert als "Betrug an der arabischen Revolution, des arabischen Volks und der arabischen Hoffnung."

Im vergangenen April besuchte David Keyes eine Veranstaltung mit dem Titel "Cyber-Dissidents and Political Change", gesponsort vom George W. Bush Institute. "Inspiriert von Präsident und Mrs. Bushs standhaftem Bekenntnis zur Freiheit für alle Menschen", so seine Website, "arbeitet das Bush Institute daran, Dissidenten und Unterstützer der Freiheit zu ermutigen und ein mächtiges Netzwerk zur moralischen Unterstützung und zur Bildung zu schaffen." Keyes war einer der besonderen Gäste in einem TV-Programm, das vom geschäftsführenden Direktor des Instituts, Jim Glassman, präsentiert wurde, der als Bushs Undersecretary for Public Diplomacy Dissidenten aus der ganzen Welt zum Gründungstreffen der Alliance of Youth Movements 2008 versammelte. Die anderen Gäste waren der Präsident von Radio Free Europe/Radio Liberty Jeffrey Gedmin, ein ehemaliger Gelehrter beim neokonservativen American Enterprise Institute und ein Gründungsunterzeichnender des Project for a New American Century; Christopher Walker, Director of Studies bei Freedom House, der Heimat von unermüdlichen Förderern der pro-israelischen Demokratie wie Max Kampelman, Paula Dobriansky und Joshua Muravchik; und der ehemalige Ha’aretz-Journalist Bari Weiss, der stellvertretende Herausgeber der Meinungssparte des Wall Street Journals mit einer Schwäche für die nichtpalästinensischen Dissidenten der Welt.

Dissidenten die ihr Vertrauen in solche unwahrscheinlichen Vorkämpfer der arabischen Freiheit setzen, würden gut daran tun, sich an die Worte Sheldon Adelsons zu erinnen. In bezug auf eine Unterhaltung, die er mit dem iranischen Dissidenten Amir Abbas Fakhravar auf der Konferenz in Prag führte, sagte der Likudnik-Kasinomagnat Berichten zufolge: "Ich mag Fakhravar, weil er sagt, daß das iranische Volk ekstatisch sein werde, wenn wir angreifen." Aber als ein anderer iranischer Demokratie-Aktivist diese Behauptung anzweifelte, antwortete Adelson offen: "Mir ist es egal, was mit dem Iran geschieht. Ich bin für Israel."


Maidhc Ó Cathail hat umfangreich über Israels Rolle in den arabischen Aufständen geschrieben. Vgl. sein Blog The Passionate Attachment.