Donnerstag, 10. November 2011

Zum angeblichen Atomwaffenprogramm des Iran, Teil III


Seit circa einem Jahr wartet die Welt nun aufgeregt auf das in Auftrag gegebene National Intelligence Estimate 2011. Rechtsorthodoxe Kriegstreiber versprachen sich davon eine völlige Neubewertung der iranischen nuklearen Aktivitäten und endlich den Beweis für den Bau von Atomwaffen. Die "smoking gun" aller Geheimdienstberichte sollte es beinhalten. Nur: Was bisher veröffentlicht wurde, deutet in eine völlig andere Richtung.

Zur Vorgeschichte: Im Jahr 2007 stellten alle 17 Geheimdienste der USA einstimmig fest, daß der Iran seine diesbezüglichen Aktivitäten im Jahr 2003 eingestellt habe. Es wurde nicht genau spezifiziert, worin diese Aktivitäten überhaupt bestanden haben sollen. Die Vermutung, der Iran habe an einem militärischen Nuklearprogramm gearbeitet, stammte vom berüchtigten Laptop of Death, dessen Daten nicht einmal der IAEA komplett zur Verfügung gestellt worden sind, weil sie geheim seien. Es gibt eine weitere Vermutung, nämlich die über die Herkunft des Rechners: Israel. Allerdings weigerte sich selbst der Sohn des Schah, Pahlevi Jr., diese Daten für seine Propaganda zu verwenden, obwohl er regelmäßiger Gast der Likud-Politiker war.

Nun aber ist es endlich so weit: Der neue Bericht des Board of Governors der IAEA ist veröffentlicht worden -- ehm, nicht veröffentlicht, aber durchgesickert. Hier ist er: Klick!

Die ihm zugrunde liegenden technischen Inspektionberichte sind derzeit noch nicht erhältlich, allerdings sind deren Ergebnisse im Abschnitt C zusammengefaßt: Nichts Neues im Iran, alle Anlagen laufen, wie sie lt. iranischen Angaben laufen sollen, es gibt keine Abweichungen vom Programm. Bemängelt wird, daß der Iran der Aufforderung zur Einstellung der Urananreicherung nicht nachgekommen ist, bestätigt wird, daß diese nur bis zur Obergrenze von 20% vorgenommen wird.

Der Rest ist eine Frechheit -- und zeigt, daß der Bericht des Boards of Governors eine politische Veranstaltung ist: Zum einen wird in Paragraph 4 festgestellt, daß ein Besuch des Deputy Director General for Safeguards auf Einladung des Iran zur Klärung echter oder vermeintlicher Unstimmigkeiten noch gar nicht stattgefunden hat. Zum anderen wird im Abschnitt G: Possible Military Dimensions fortwährend auf den Annex C.4 verwiesen, wo sich nichts finden läßt, was auch nur entfernt an einen Beweis erinnert. Dafür wird ein ungenannter Atomforscher eines Mitgliedslandes erwähnt, der von Washington Post und Guardian als Dr. Vyacheslav Danilenko enttarnt wurde. Der Mann aber ist Spezialist für die Herstellung von Nanodiamanten und hielt dazu u. a. Vorlesungen an der Drexel Universität. Im BoG-Bericht liest sich das so:
44.  The Agency has strong indications that the development by Iran of the high explosives initiation system, and its development of the high speed diagnostic configuration used to monitor related experiments, were assisted by the work of a foreign expert who was not only knowledgeable in these technologies, but who, a Member State has informed the Agency, worked for much of his career with this technology in the nuclear weapon programme of the country of his origin. The Agency has reviewed publications by this foreign expert and has met with him. The Agency has been able to verify through three separate routes, including the expert himself, that this person was in Iran from about 1996 to about 2002, ostensibly to assist Iran in the development of a facility and techniques for making ultra-dispersed diamonds (“UDDs” or “nanodiamonds”), where he also lectured on explosion physics and its applications.
45.  Furthermore, the Agency has received information from two Member States that, after 2003, Iran engaged in experimental research involving a scaled down version of the hemispherical initiation system and high explosive charge referred to in paragraph 43 above, albeit in connection with non-nuclear applications. This work, together with other studies made known to the Agency in which the same initiation system is used in cylindrical geometry, could also be relevant to improving and optimizing the multipoint initiation design concept relevant to nuclear applications.
Anschließend wird verlautbart, daß der Iran nicht über das Thema diskutieren möge -- bei vorliegender Einladung für den DDG-SG.

Die einzelnen Abschnitte der Annex-Schwurbelei betreffen hochkomplizierte technische Zusammenhänge, wie sie von nur wenigen Ländern in der Welt beherrscht werden. Im Bericht der IAEA erscheinen sie im Gewand einer Klein Fritzchen-Erzählung über die Konstruktion eines Hänsel-Gretelschen Pfefferkuchenhäuschens. Derlei Textqualität ist für die Medien bestimmt und einer internationalen Organisation zur Überwachung der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen unwürdig.

Übrigens hat sich ein Informant geoutet: Some intelligence in IAEA report came from Israel. Dann wird es wohl stimmen.

Ausführliche Würdigungen des Berichtsinhalts findet der geneigte Leser hier:

Nima Shirazi: The New IAEA Report on Iran: An Initial Response to the Explosive Reactions...of the Press
Moon of Alamaba-Blog: On "Nuclear Iran" Allegations: Nanodiamonds Ain't Nuclear Bombs
Derselbe: The IAEA Confirms My Nanodiamond Analysis
Christian Science Monitor: Iran nuclear report: Why it may not be a game-changer after all
PBS: Opinion | The IAEA Report on Iran's Nuclear Program: Alarming or Hyped?
The Guardian: The IAEA report: what does it really mean and will it lead to war with Iran?
Cyrus Sadfari: IAEA overstepping its legal authority on IranJulian Borger, The Guardian: Nuclear Wikileaks: Cables show cosy US relationship with IAEA chief
The Dour Goat Blog: Examining the IAEA's evidence that Iran "may" be pursuing a nuclear weapons programme
Daniel Joyner für JURIST Blog: Iran's Nuclear Program and the Legal Mandate of the IAEA
Gwynne Dyer, New Zealand Herald: Here we go again with nuke 'threat'
Flynt und Hillary Mann Leverett: Pulling the IAEA into the “Attack Iran” Debate Will Backfire
Interview mit Mohamed ElBaradei


Aber der ist ja ein iranischer Agent. *lach*