Samstag, 31. Dezember 2011

Zum gegenwärtigen Medienhype: Der kreuzgefährliche Iran

Seit einigen Tagen sind die Medien wieder einmal voller Drohungen und Gegendrohungen, Kriegspläne und naseweisen Kriegsausgangsvorhersagen. Zu den Fakten:

Das US-Parlament erließ ein Sanktionsgesetz gegen den Iran, geschehen im Dezember 2009 im Haus of Representatives, nachgeholt im Senat im Februar 2010. Bereits im Oktober 2009 wurde ein Öl-Embargo beschlossen. Die Hauptakteure wurden benannt: Barney Frank, Mark Kirk, Ileana Ros-Lehtinen, Howard Berman, Chris Dodd und Richard Shelby. Die Abgeordneten stammen sowohl aus den Reihen der Republikaner als auch aus der Demokratischen Partei.

Der Washington Report on Middle East Affairs führt u. a. Buch über die Zuwendungen pro-israelischer Aktionskomitees an Abgeordnete. Also sehen wir der Einfachheit halber nach:

Die Liste enthält keine Angabe über Barney Frank, dafür aber über:
  • Mark Kirk: 2010: $42.604, insgesamt: $263.686,
  • Ileana Ros-Lehtinen: 2010: $36.500, insgesamt: $200.240,
  • Howard Berman: 2010: $12.000, insgesamt: $101.050,
  • Christopher Dodd: 2010: $13.000, insgesamt: $247.178 und
  • Richard Shelby: 2010: $5.000, insgesamt: $199.825.
Das heißt, allein die fünf Abgeordneten, die die Gesetze vorantrieben, waren pro-israelischen Aktionskomitees über eine Million Dollar wert. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Im Juni 2011 wurden weitere Sanktionen verhängt: gegen Iran Air, die größte zivile Luftfahrtgesellschaft des Landes, und gegen Tidewater Middle East Co., die Betreiberfirma iranischer Häfen. Als Begründung wurden die Geschäftsbeziehungen zu den Revolutionsgarden angegeben. Desweiteren wurden einige iranische Offizielle sanktioniert.

Mittlerweile ist Präsident Obama "gezwungen worden", einen Zusatz zum Verteidigungsetat zu unterschreiben. Das sogenannte Kirk-Menendez-Amendment soll die Geschäftsbeziehungen zur Iranischen Zentralbank verhindern und alle Länder, die sich nicht an die US-Sanktionen halten, bestrafen. Josh Rogin (Foreign Policy):
The Obama administration has been trying to avoid ramping up the confrontational tone with Iran, especially in an election year. The last thing they want to do is provoke a crisis.
And unfortunately, they've been forced into signing this new sanctions bill. It's the Kirk-Menendez bill which puts crippling sanctions on the central bank of Iran. And not only that, it forces the U.S. to sanction third countries who do business. We're talking about any country around the world. That's every country, including allies like Japan and South Korea.
The administration is in a tough spot here. They have to enforce the sanctions. They have some leeway. But now is the battle over these third countries. And that's what Iran is doing here.
They're sending a message to all these countries around the world, if you follow these U.S. sanctions, we're going to punish you. If you don't follow these U.S. sanctions, the U.S. is going to punish you.
It puts all these countries into a horrible situation, a lose/lose scenario. And that's exactly what the administration was trying to avoid... (Quelle und Bestätigung)
Ich denke, dem aufgeklärten Leser ist bekannt, wer in der Lage ist, auf den mächtigsten Mann der Welt Druck auszuüben. Wem es nicht einfällt, der sollte Alex Kane's Artikel auf Mondoweiss lesen: Klick!

Im Gegensatz zu den Sanktionen, die von den Vereinten Nationen verhängt wurden, handelt es sich bei den von den USA einseitig verhängten Embargos um ein Netz von Bestrafung und Maßregelung, da alle die Unternehmen in der Welt, die mit den sanktionierten Firmen des Iran Handel betreiben, mit Strafgeldern und Handelsverbot in den USA belegt werden. Das nannte man früher Raubrittertum.

Bisher liegen weder der UNO noch der IAEA Kenntnisse über ein existierendes Atomwaffenprogramm des Iran vor. Der jüngste Bericht des Board of Governors der IAEA bezieht sich im wesentlichen auf Anschuldigungen die Zeit vor 2003 betreffend. Allerdings veröffentlichte die IAEA dieses Jahr zusammen mit dem Bericht auch den sogenannten "Secret Annex", in dem sich eigentlich die Beweise für die Anschuldigungen finden lassen sollten. Fehlanzeige, wie der des Englischen kundige Leser leicht erkennen wird.

Der damalige Chef der Geheimdienste der USA, DNI James Clapper, wurde am 16. Februar dieses Jahres zu den Erkenntnissen bezüglich eines angeblichen iranischen Atomwaffenprogramms befragt. Seine Antwort:
"We continue to assess Iran is keeping open the option to develop nuclear weapons in part by developing various nuclear capabilities that better position it to produce such weapons, should it chose to do so," Clapper says in the threat assessment. "We do not know, however, if Iran will eventually decide to build nuclear weapons."
Das heißt nichts anderes, als daß die Erkenntnisse aus dem National Intelligence Estimate 2007 bestätigt wurden. Der Iran hat das unterstellte Atomwaffenprogramm eingestellt. Es ist keine Entscheidung getroffen worden, überhaupt ein militärisches Atomprogramm aufzulegen. Wer wundert sich darüber, daß das sehnsüchtig erwartete NIE 2011 der Geheimhaltung unterworfen worden ist?

In diesem Sinne sind die Sanktionen kein Mittel, eine nukleare Bedrohung zu verhindern oder gar einzudämmen, sondern Strafmaßnahmen gegen ein Land, das Widerworte gibt. Lt. Tagesspiegel, einem Blatt, das gern jeden Hype mitmacht und investigativen Journalismus schon lange nicht mehr betreibt, könnten nur folgende Zugeständnisse des Iran die USA friedlich stimmen:
Aus US-Sicht nur, wenn der Iran sein militärisches Atomprogramm aufgibt, lückenlose Inspektionen durch die internationale Atomenergiebehörde IAEO zulässt, die Unterstützung von Terrorgruppen beendet, das Existenzrecht Israels anerkennt und die übrigen Staaten der Region als gleichberechtigte Partner behandelt. (Siehe Link, S. 2)
Oder kurz: Unterwerfung unter die Interessen der USA und Israels, auf daß deren Hegemonie im Nahen Osten akzeptiert werde. Die Interessen eines der größten und bevölkerungsreichsten Länder der Region haben dahinter zurückzutreten. Es ist leicht einzusehen, daß das nicht geschehen wird. Was die Kontrolle der Atomanlagen angeht, so sind die Tiefeninspektionen, 24/7-Kameraüberwachung und der tollen Satelliten- und Drohnenaufklärung der beiden führenden Kulturnationen der Welt unterworfen. Aus diesen Quellen scheint es bisher keinen Alarmismus gegeben zu haben -- man hätte ihn uns um die Ohren gehauen.

Kurzum: Das einzige Hindernis einer hundertprozentigen Hegemonie der beiden imperialistischsten Staaten dieser Welt soll aus dem Weg geräumt werden. Indizien, Beweise gar oder das Völkerrecht spielen dabei keine Rolle. Klick!

Weitere Informationen zum Thema finden sich immer auf Race for Iran.