Sonntag, 25. August 2013

Chemiewaffeneinsatz in Syrien?

Die Presse ist voll davon: Assad habe Chemiewaffen einsetzen lassen und damit, so die Kannibalen, 1300 Tote verursacht (lt. Guardian 1400, lt. Ärzte ohne Grenzen 355 Opfer mit Vergif- tungssymptomen).

Auch der Tagesspiegel schlägt in die gleiche Kerbe, und Gesinnungsjournalist Gehlen macht es offenbar riesigen Spaß, die Mordsoptionen, die es seiner Meinung nach gibt, durchzuspielen.

Nun kann man sich leicht auf die bisher bekannten Tatsachen berufen:
  1. Kein einziges in Videos oder Bildern gezeigtes Mitglied des medizinischen Personals trägt einen Vollschutzanzug oder auch nur eine Gasmaske. Das Gottvertrauen scheint grenzenlos zu sein, denn eigentlich wissen die Ärzte, daß sie Opfer eines chemischen Angriffs behandeln. Oder so.
  2. Kein einziges Opfer zeigt Pupillen, die so groß sind wie Stecknadelköpfe, welche ein sicheres Zeichen für einen Nervengaseinsatz wären.
  3. Der angebliche Giftgaseinsatz ereignete sich angeblich nur zehn Kilometer vom Hotel (Four Seasons) der gerade eingetroffenen UN-Chemiewaffeninspektoren entfernt. Obama hat bereits eine rote Linie gezogen, die Rest-NATO stimmte dem zu, also müßte Assad wissen, was ihm blüht, wenn er Chemiewaffen einsetzt. Dennoch soll er es tun?
Mittlerweile hat sich eine Reihe von Experten gemeldet, die die Unterstellungen stark anzweifeln oder als Unsinn deklariert haben.
  1. Dan Kaszeta, ehemaliger Offizier des U.S. Army Chemical Corps: "None of the people treating the casualties or photographing them are wearing any sort of chemical-warfare protective gear, and despite that, none of them seem to be harmed. [...] there are none of the other signs you would expect to see in the aftermath of a chemical attack, such as intermediate levels of casualties, severe visual problems, vomiting and loss of bowel control."
  2. Steve Johnson, "Giftforscher" der Cranfield University in England und Berater des britischen Verteidigungsministeriums für chemische Kriegsführung: "[F]rom the details we have seen so far, a large number of casualties over a wide area would mean quite a pervasive dispersal. With that level of chemical agent, you would expect to see a lot of contamination on the casualties coming in and it would affect those treating them who are not properly protected. We are not seeing that here."
  3. Ha'aretz fragt nach dem taktischen Vorteil, den die syrische Armee von einem Einsatz chemischer Waffen haben solle, wo doch die Kannibalen in den letzten Wochen immer weiter zurückgedrängt worden seien.
  4. Mutter Agnes Mariam de la Croix hat ihre Bekannten im angeblichen Einsatzgebiet der angeblichen Chemiewaffen kontaktiert: "Mother Agnes-Mariam has contacted friends living in Kashkoul: one street away  from Aïn Tarmah.  Nobody had felt anything abnormal, nobody was disturbed by nausea, headache etc… No odors,  no dismay…The mother of our Forman is living in Abassin Square, a few meters away from Jobar. Nobody felt or smelled anything there either."
  5. Die gleiche Quelle verweist auf die Folgen eines Chemiewaffeneinsatzes der Kannibalen für einen ohne entsprechenden Schutz arbeitetenden syrischen Arzt: "When the rebels attacked Barzeh neighborhood with chemical bomb we knew one martyr called Mouhammad Assi who was immediately killed and transported to the hospital (first week of may 2013). The doctor who was curing him was poisoned with the remains of Sarin Gas in the clothes of this man and he had to be accepted in the intensive care for days…."
  6. Am fraglichen Tag herrschte in und um Damaskus eine Windgeschwindigkeit von 23 bis 25 km/h, also eine Windstärke, die zu starken Verwehungen eines eingesetzten Giftgases führen und daher die Konzentration am Einsatzort senken würde.
Nach den zweifelsfrei nachgewiesenen Chemie- und Atomwaffen im Irak und den Luftangriffen Ghaddafis auf seine Bevölkerung haben wir es also mit einer weiteren irren wie wirren Unterstellung zu tun, die einen Militäreinsatz der sogenannten Wertegemeinschaft rechtfertigen soll.

Dazu paßt auch die Behauptung, Assad würde den Einsatz der Chemiewaffeninspektoren der UNO absichtlich hinauszögern. In Wahrheit, so erfahren aber nur die Leser von Foreign Policy, ist es die UNO selbst, die die Untersuchung hinauszögert, und zwar aus den Gründen, die Assad angeblich wahrheitswidrig anführt: Sicherheitsbedenken. Colum Lynch und Noah Shachtman: Klick!
 
Was sonst noch? Pünktlich wie zum Essensgong erscheint ein "rafbenham" als neue Dumpfbacke im Kommentarenkostüm der Tagesspiegel-Community und plärrt von "alle Massaker wurden von Assad verübt" bis "zweifelsfrei bewiesener Chemiewaffeneinsatz". Der Mann erscheint in Schreibe wie Denke als Reinkarnation des feigen Wehrdienstflüchtlings und inkompetenten Möchtegernmilitärhistorikers Wolfgang Hebold. Das Präfix "raf" scheint auf eine ungemein starke (theoretische) Kriegsbegeisterung hinzudeuten, was eine weitere Parallele zu "Endlich!"-Wolfgang alias "matkal" (welche Selbstironie: ein Feigling nennt sich nach einer Eliteeinheit) wäre. Er bringt wie weiland Kriegs-Hebold keinerlei Belege für seine hanebüchenen und m. E.  volksverhetzenden Beiträge bei, antwortet grundsätzlich nicht auf Fragen und schlägt sich ins Gebüsch, wenn es für ihn peinlich wird. Eine Sockenpuppe, die mit Unterstellungen um sich schlägt wie ein waidwundes Tier im propagandistischen Schützengraben ... Einfach widerlich. Und der Tagesspiegel läßt ihn gewähren. Lustig.

Sonntag, 23. Juni 2013

Ex-Außenminister Roland Dumas zu Syrien

Es ist das gute Recht des Tagesspiegels, die Kommentare der Community zu zensieren. Dies geschieht in letzter Zeit immer genau dann, wenn eine aktuelle Propagandakampagne in Frage gestellt wird.

Es ist bisher keinem Kommentator gelungen, auf folgendes Interview des ehemaligen französischen Außenministers Roland Dumas zu verlinken:


Meine Übersetzung:
Ich will Ihnen mal was sagen. Ungefährt zwei Jahre vor Ausbruch der Feindseligkeiten war ich in anderen Geschäften in England, nicht wegen Syrien. Ich traf mich mit britischen Vertretern, und einige von ihnen, Freunde von mir, gaben mir gegenüber zu, indem sie nach meiner Meinung fragten, daß sie etwas in Syrien vorbereiteten. Das war in England, und nicht in den Vereinigten Staaten. England bereitete die Invasion der Rebellen in Syrien vor. Sie fragten mich als ehemaligen Außenminister sogar, ob ich daran teilnehmen wolle. Natürlich lehnte ich ab. Ich bin Franzose, das interessiert mich nicht. Das heißt, diese Operation kommt von einem Ort weit entfernt (von Syrien).
So etwas kann man natürlich nicht veröffentlichen.

Sonntag, 16. Juni 2013

Martin Gehlen verbreitet im Tagesspiegel Unwahrheiten

In der Online-Ausgabe des Tagesspiegels vom 16.6.2013 schreibt Gehlen nach der Wahl Rowhanis zum iranischen Präsidenten unter der Überschrift: "Ruhani plant Politik der Aussöhnung und des Friedens" u. a.:
Nachfolger Mohammed Khatami ließ ihn im Amt, ernannte ihn 2003 darüber hinaus zum Chefunterhändler der Islamischen Republik mit der internationalen Atomenergiebehörde in Wien (IAEO), nachdem iranische Exilkreise im Jahr zuvor das geheime Atomprogramm Teheran an die Weltöffentlichkeit gebracht hatten. Unter Ruhanis Regie erklärte sich Iran damals bereits, mit der IAEO zu kooperieren und die Urananreicherung zu stoppen.
Diese Passage enthält mehrere Unwahrheiten, um es höflich zu formulieren.
  1. Das Atomprogramm des Iran begann am 5.3.1957 unter der Atoms for Peace-Initiative Eisenhowers. Das Kalkül war m. E., dem Iran den erhöhten Export von Öl schmackhaft zu machen, indem eine Lösung für seine Energieversorgungsprobleme und den Ausbau der heimischen Industrie angeboten wurde. 1967 wurde zusammen mit den USA das Tehran Nuclear Research Center geschaffen, ein Jahr später trat der Iran dem Atomwaffensperrvertrag bei. Weitere Schritte und Angaben über die Partner des iranischen Atomprogramms finden sich hier in Form von Zeitungsausschnitten: Blasts from the Past: Western Support for Iran's Nuclear program. Das Programm ist also seit 45 Jahren bekannt. (Siehe ausführlich auch hier: Klick!)

  2. Gehlen spielt auf das unterstellte Atomwaffenprogramm des Iran an, bezeichnet aber das gesamte Nuklearprogramm als geheim. Entweder er hat schlampig formuliert, schlampig recherchiert oder wissentlich die Unwahrheit geschrieben. Und selbst die Unterstellungen, die gegenüber dem Iran ständig erhoben werden, sind zweifelhafter Natur.

    Am 14.8.2002 wurde eine Pressekonferenz abgehalten, die kaum auf dem Radar der westlichen Medien auftauchte, später aber zur ernsten Konfronation zwischen Iran und "Lobby" führen sollte und noch heute das Potential hat, einen Dritten Weltkrieg auszulösen.

    Hauptdarsteller der Pressekonferenz waren Vertreter der Organisation "National Council for Resistance in Iran" (NCRI). Diese Gruppe ist der politische Flügel der Mujahideen-e Khalq, der MEK, die damals noch auf der Liste der "Foreign Terror Organizations" des US-Außenministeriums stand. Die Einreise der Vertreter mußte also gegen geltendes US-Gesetz erlaubt worden sein. (Vgl. Scott Ritter: "Target Iran. The Truth About the White House's Plans for Regime Change", pp. xv ff.)

    Auf dieser Pressekonferenz in der Lobby des Willard Hotels wurde die Existenz eines geheimen Atomwaffenprogramms im Iran unterstellt. Die Basis bildeten sogenannte Geheimdienstinformationen, die von Tel Aviv über das "Committee for a Democratic Iran" (u. a. Michael Ledeen (Ex-American Enterprise Institute), James Woolsey (Ex-Chef der CIA), Morris Amitay (Ex-Chef des American Israel Public Affairs Committee) und Rob Sobhani (ein Freund des Schah-Sohns)) an das NCRI weitergegeben worden waren. (Ebd., p. xxv.)

    Dieselben Information waren schon am 8.2.2002 ans Weiße Haus gegeben worden, wurden aber von CIA-Chef Tenet als wenig glaubhaft zurückgewiesen.

    Für den 20.8.2002 war ein Treffen von russischen und iranischen Regierungsvertretern geplant, auf dem die Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit besprochen und der bereits im Juli desselben Jahres unterzeichnete Vertrag über den Bau von fünf weiteren Kernkraftwerken ausgeweitet werden sollte. Also war Eile angesagt.

    Nachdem die israelische Regierung in Washington abgeblitzt war, wurde ein anderer Akteur angesprochen, der die "Informationen" an die Öffentlichkeit geben sollte: Schah-Sohn Reza Pahlavi. Der lehnte dankend ab, obwohl er häufiger Gast des Likud-Blocks in Tel Aviv war. Vielleicht war er um den letzten Rest seines Rufs besorgt. So erklärt sich die Instrumentalisierung der MEK für israelische Zwecke.

  3. Die Einstellung der Konversions- und Anreicherungsarbeiten sowie die im Artikel fehlende Übernahme des Additional Protocols durch das Verhandlungsteam um den zum Reformer erklärten Rowhani geschah ausdrücklich zeitweilig und im Ergebnis des Paris Agreements. Der Westen versprach dem Iran technische Hilfe für die Entwicklung seines Atomprogramms sowie die Lieferung des für den Betrieb des Teheraner Forschungsreaktors nötigen Brennstoffs. Beides wurde nicht eingehalten, so daß der Iran die Ratifizierung des AP stoppte und seine Aktivitäten wiederaufnahm. Rowhani hat seine Erfahrungen mit der Ehrlichkeit des Westens in Verhandlungen und der Verläßlichkeit im Einhalten von Versprechen gemacht.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß Gehlen nicht um diese Vorgänge weiß. M. E. lügt er bewußt. Wäre es nicht so, verdiente er die Berufsbezeichnung "Journalist" nicht. So stellt er sich in den Dienst fremder Interessen, denn Deutschlands Ziel kann nicht sein, auf die Zusammenarbeit mit dem Iran zu verzichten. Dort gibt es genügend Investitionsbedarf, der hierzulande zu mehr Arbeitsplätzen führen könnte.

Sonntag, 24. März 2013

Die Tapferen im Nirgendwo

Gegenwärtig läuft eine Schmierenkomödie, die ausgerechnet den cdU-Politiker Ruprecht Polenz zum Ziel hat. Sein Verbrechen: Er reagierte auf seiner Facebook-Seite nicht schnell genug, nachdem ein Kommentator die Verbrechen der Nazis mit denen der Israelis gleichsetzte.

Der Tapfere, der im Nirgendwo zum Kampf gegen derartig antisemitisches Treiben -- nein, nicht des Kommentators, sondern Polenz' -- aufruft, verbreitet seine Weisheiten hier: Klick!

Nun ist ein Kommentar, wie ihn Polenz nicht schnell genug löschte oder löschen ließ, nicht das Schwarze unter dem Fingernagel wert, weil alle Israelis in einen Topf geworfen werden, also Uri Avnery mit denen in der moralischsten Armee der Welt, an die Amir Oren in seinem Artikel über (u. a.) das Studium der Taktiken bei der Aufstandsbekämpfung im Warschauer Ghetto erinnerte. (Er schrieb in Haaretz vom 25.1.2002:
In order to prepare properly for the next campaign, one of the Israeli officers in the territories said not long ago, it's justified and in fact essential to learn from every possible source. If the mission will be to seize a densely populated refugee camp, or take over the casbah in Nablus, and if the commander's obligation is to try to execute the mission without casualties on either side, then he must first analyze and internalize the lessons of earlier battles - even, however shocking it may sound, even how the German army fought in the Warsaw ghetto.)
Nichtsdestotrotz muß im trauten Bruderbund mit der Achse des Guten des sattsam bekannten Broderliners mal so richtig Frust abgelassen werden. Der Autor des Kommentars habe die Existenz von Gaskammern in Israel unterstellt. Da es die nicht gebe, unterstelle er außerdem, es habe sie in Deutschland nie gegeben, und außerdem sei es in Deutschland mittlerweile weit verbreitet, den Holocaust zu leugnen. Und überhaupt: Polenz sei dennoch schuld. Eine etwas verquaste Konstruktion, aber bitte.

Ein wenig ad hominem darf es auch sein: Der Kommentator auf Polenz' Facebook-Präsenz sei grammatikalisch völlig daneben. Gerd Buurmann selbst, so der Name des Opfer-Tapferen, scheint auch nicht viel über das "Dass" zu wissen, aber er ist der Gute. Sagt er.

Richtig interessant wird es, wenn sich Kommentatoren bei den Tapferen melden. Da wird geschwurbelt, daß die Heide wackelt, Geschichte wird auf den Kopf gestellt, Tatsachen werden schlicht geleugnet.

Ein Herr Theiner zum Beispiel schreibt von höchstens geringfügiger Benachteiligung israelischer Araber und lobt die humane israelische Politik gegenüber dem (Ghetto) Gaza, die dazu geführt habe, daß dort eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt existiere. Warum läßt dieser Zyniker den Eichmann nicht nachträglich mit dem Bundesverdienstkreuz auszeichnen? Immerhin sind 80% der Bevölkerung Gazas Flüchtlinge oder deren Nachkommen, die vor dem zionistischen Terror der Jahre 1947-49 flohen. Dort sitzen sie heute wie die Ratten, ehm, wie äußerte sich Eitan: Kakerlaken, in der Falle. Außerdem, so der ehrenwerte Herr, hätten die Israelis sehr viel mehr gute Gründe, gegen die Palästinenser vorgehen, als die Nazis, denn sie wollten ja Israel vernichten usw. usf. "Okkupation" fehlt im Vokabular dieses Un-Geists. Aber ihm kann und wird hier geholfen werden.

Ein sich "anti3anti" nennender, besonders human Gesinnter reagiert auf den Verweis auf einen kritischen Artikel eines jüdischen Amerikaners, der Zitierende dürfe "einen solchen Dreck" erst schreiben, wenn er Auschwitz überlebt habe. Tolle Gesinnung, das, und offensichtlich in Deutschland straflos möglich. Der tanzt auf den Gräbern von Auschwitz und tritt das Andenken der Ermordeten in den Dreck. Daß Buurmann dafür rechtlich verantwortlich ist, hat er selbst auf seiner Seite niedergelegt, aber der tanzt ja für die tapferen Guten.

Dummerweise unternimmt eine Mascha Mauer einen untauglichen Versuch, faktenbasiert zu argumentieren. Leider fehlen diese bei ihr, und leider haben Fakten auf der Tapferen-Seite nichts zu suchen; mehrere diesbezügliche Kommentare meinerseits wurde kommentarlos gelöscht -- wahrscheinlich wegen Faktenallergie und fanatischen Dummschwätzertums. Nun denn, los geht's.

Die Besetzung der West Bank und -- per effektiver Kontrolle -- Gazas ist ein Kriegsverbrechen. Der Sechs-Tage-Krieg wurde von Israel begonnen. Der Angriff wurde während der Kriegskabinettsitzung vom 2.6.-4.6.1967 beschlossen:
Wahrhaftig fragte Dayan, wie sich ein israelischer Erstschlag als Reaktion darstellen ließe. Vielleicht könne man etwas inszenieren? »Wir brauchen ein Alibi«, meinte auch Minister Bentov. Dayan antwortete: »Ich habe keine anderen Tricks auf Lager als zuzuschlagen. Falls jemand eine bessere Idee hat, werde ich mich ihr anschließen.« Zur Möglichkeit, ein israelisches Schiff als Provokation in den Golf von Akaba zu schicken, meinte Dayan: »Absoluter Selbstmord.« Allon fand, der Ministerpräsident solle den Staatschefs der Welt verkünden, dass die Ägypter angegriffen hätten. Minuten später werde Israel dann reagieren. Der Ministerpräsident werde zwar eine Lüge riskieren, die Wahrheit würden jedoch nur die Historiker erfahren. »Ich glaube nicht, dass die Amerikaner den Ereignissen auf den Grund gehen werden«, sagte Allon. 
In der Entschließung, die schließlich formuliert wurde - und über die, wie Eschkol betonte, die Geschichte ihr Urteil fällen werde -, hieß es, Israel gehe gegen einen »sich um das Land zuziehenden Ring der Aggression« vor. Eschkol und Dayan wurden ermächtigt, den Zeitpunkt des Angriffs festzulegen. »Mir fällt ein Stein vom Herzen«, schrieb Minister Gvati. Fast alle sprachen sich für diese Regelung aus. (Tom Segev: "1967. Israels zweite Geburt", S. 401, meine Hervorhebung.)
Mordecai Bentov nahm als Minister an den Besprechungen des Kriegskabinetts teil. Er äußerte nach dem Krieg:
This whole story about the threat of extermination was totally contrived, and then elaborated upon, a posteriori, to justify the annexation of new Arab territories. (Joseph L. Ryan: "The Myth of Annihilation and the Six-Day War", in: Worldview, September 1973, pp. 38-42.)
Aus der UN-Charta leiteten sowohl der UN-Sicherheitsrat (UNSC) als auch die Vollversammlung die Unzulässigkeit der Gebietserweiterung durch Krieg ab.

Daß die Besiedlung der okkupierten palästinensischen Gebiete dem Völkerrecht widerspricht, erfuhren wir zuallererst vom Rechtsberater des israelischen Außenministeriums, Theodor Meron: Original, englische Übersetzung:
[emblem]
Ministry of Foreign Affairs
Jerusalem,13 Elul 5727
18 September 1967

TOP SECRET

To : Mr Adi Yafeh, Political Secretary to the Prime Minister
From : Legal Adviser, Ministry of Foreign Affairs
Subject: Settlement in the Administered Territories

At your and Mr Raviv’s request, I am enclosing herewith a copy of my memorandum of 14.9.67 on the above subject, which I submitted to the Minister of Foreign Affairs. My conclusion is that civilian settlement in the administered territories contravenes explicit provisions of the Fourth Geneva Convention.

Regards,

[signed]
T. Meron

Copy: Mr A. Shimoni, Director of the Minister’s Office
(Meine Hervorhebung.)

Soso, die Siedlungen sind nach Einschätzung Theodor Merons völkerrechtswidrig. Wer hätte das gedacht? Die Tapferen im Nirgendwo nicht. Dennoch ist der Internationale Gerichtshof in seiner Advisory Opinion zur völkerrechtlichen Einschätzung der Apartheidmauer (ich komme gleich zu dem Begriff) zum gleichen Urteil gekommen: Okkupation, Siedlungen und Mauer widersprechen dem Völkerrecht: Klick! -- direkt von der Homepage Palästinas bei der UNO.

Nun zur Lage der palästinenischen Israelis. Diese sind von der Staatsbürgerschaft her als Nicht-Leumi, als ezrahut-zugehörig eingestuft. Damit gilt für sie eine Reihe von Gesetzen, die die Benachteiligung systemisch definiert. Im einzelnen sind das
  • das Law of Return von 1950. Es garantiert allen Juden der Welt das Recht auf Einwanderung nach Israel. Pikant ist die Bezeichnung "Return" aus zweierlei Gründen. Zum einen bestehen erhebliche Zweifel, ob es ein jüdisches Volk mit Kontinuität in Palästina überhaupt gibt (vgl. Shlomo Sand: "The Invention of the Jewish People"). Zum anderen gilt das "Rückkehr"-Gesetz eben nicht für die Palästinenser, die von den Zionisten 1947-49 und 1967 vertrieben wurden, obwohl Israel, um in die UNO aufgenommen zu werden, die Gültigkeit der Resolutionen 181 und 194 schriftlich bestätigte (siehe u. a. Henry Cattan: "Palestine and International Law. The Legal Aspects of the Arab-Israeli Conflict", pp. 128 f.). Damit ist Israels Mitgliedschaft in der UNO unter bestimmten einzuhaltenden Bedingungen festgestellt worden. Es ist schon ein Zeichen außergewöhnlicher Chuzpe, die Resolution 194 dafür zu verwenden, die Auswanderung sowjetischer Juden lautstark und mit großem Brimborium zu fordern und den Text danach wieder im Giftschrank verschwinden zu lassen.
  • Das Nationality Law von 1952 garantiert allen nach Israel eingewanderten Juden die israelische Staatsbürgerschaft. Nicht-Juden müssen, auch wenn sie in Israel gebürtige Palästinenser sind, darum ersuchen. Ob sie die Staatsangehörigkeit Israels erhalten, liegt im Ermessen des Innenministers. Seit 2002 gilt im Rahmen des
  • Nationality and Entry into Israel Law (2003) eine neue Ehepartnerregelung. Palästinensische Partner erhalten die israelische Staatsangehörigkeit ihres Gatten oder ihrer Gattin nicht mehr. Verbunden damit sind Deportationen der Betroffenen in die West Bank oder nach Gaza. Ein Beispiel für die damit verbundene Humanität israelischer Politiker ist die Ausweisungsaktion vom 24.1.2006 in Jaljulya. Selbst schwangere Ehepartner wurden deportiert. (Vgl. Ilan Pappé: "Die ethnische Säuberung Palästinas", S. 369 f.)
  • Das Population Registry Law von 1965 verpflichtet alle Nationalitäten in Israel, selbige zu registrieren. Die "Volkszugehörigkeit" wird im Ausweis vermerkt.
  • Das Absentee Property Law von 1950 gibt dem Staat das Recht, das Land und jeglichen Besitz geflüchteter Palästinenser dem jüdischen Staat zuzuführen. Das gilt auch für israelische Palästinenser, die sich im Nachbardorf aufhalten. Sie gelten als Abwesende.
  • Das Land Acquisition Law von 1953  enteignete ca. 400 palästinensische Dörfer. Sie stehen als Militärgebiet oder Siedlungsraum im Osten zur Verfügung.
  • Das Development Authority Law von 1950 ermöglicht ebenfalls die Enteignung palästinensischer Dörfer, wobei dem Jewish National Fund die Priorität eingeräumt wird. JNF und Jewish Agency erhalten durch das Gesetz quasi-staatliche Befugnisse; Land aus dem JNF wird regelmäßig und nach Belieben mit Land in staatlichem Besitz getauscht.
  • Das National Planning and Building Law von 1965 friert effektiv den palästinensischen Wohnungsbau ein und ermöglicht die Blockade selbst des Bohrens von Brunnen auf palästinensischem Land. Eine große Zahl palästinensischer Dörfer wurde reklassifiziert in "erlaubte" und "unerlaubte" Dörfer. Letztere erhalten weder Wasser noch Elektroenergie. Alle unerlaubten Dörfer können jederzeit abgerissen werden.
  • Das Land Acquisition in the Negev Law von 1980 konfisziert Tausende von Dunoms Beduinenland zum Zwecke des Baus jüdischer Siedlungen. Der Untertitel des Gesetzes lautet übrigens "Peace with Egypt".
  • Das Law of Political Parties von 1982 verweigert allen Gruppierungen die Registrierung als Partei, wenn sie den "jüdischen und demokratischen" Charakter Israels bezweifeln. Der Unterdrückte nennt damit seine Unterdrückung Freiheit. Orwells 1984 revisited.
Dazu paßt, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz, den jede demokratische Verfassung enthält, aus dem Entwurf der Basic Laws von 1994 gestrichen wurde. Bis heute ist er nicht Handlungsgrundsatz israelischer Politik. Das bringt uns konsequenterweise zum Begriff Apartheid. Das israelische Staatsbürgerschaftsgesetz definiert unterschiedliche Staatszugehörigkeiten mit unterschiedlichen Rechten (siehe le'om vs. ezrahut). Damit gibt es eine systemische Benachteilung einer oder mehrerer ethnischer Gruppierungen gegenüber einer anderen. Das ist Apartheid. Dieser Meinung haben sich angeschlossen:
  • der ehemalige israelische Generalstaatsanwalt Michael Ben-Yair,
  • die ehemaligen israelischen Bildungsminister Shulamit Aloni und Yossi Sarid,
  • der ehemalige stellvertretende Bürgermeister Jerusalems, Meron Benvenisti,
  • der ehemalige israelische Botschafter in Südafrika, Alon Liel,
  • der Begründer des israelischen Journalismus, Danny Rubinstein,
  • Südafrikas Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu,
  • Südafrikas Vater der Bürgerrechte, John Dugard,
  • B’Tselem,
  • die Association for Civil Rights in Israel (ACRI) und
  • die Herausgeber von Haaretz.
Um das Leben der Palästinenser auf der West Bank auch nur ansatzweise nachempfinden zu können, ist eigentlich nur ein Blick auf die Willkür nötig, mit der das israelische Militär die Verhaftung von Minderjährigen vornimmt. Im Sprachgebrauch der israelischen Politik nennt sich das "administrative detention", die von jedem popeligen Gruppenführer vorgenommen werden kann.

Eine britische Kommission sah sich im letzten Jahr die Bedingungen an, die für die Administrativhaft gelten. Der Bericht mit dem Titel "Children in Military Custody" findet sich hier: Klick! Die Schlußfolgerungen (Klick!) sind eindeutig:
7. On the basis solely of legal differentials, we have concluded that Israel is in breach of articles 2 (discrimination), 3 (child’s best interests), 37(b) (premature resort to detention), (c) (non-separation from adults), (d) (prompt access to lawyers), and 40 (use of shackles) of the UNCRC. Transportation of child prisoners into Israel is in breach of article 76 of the Fourth Geneva Convention. Failure to translate Military Order 1676 from Hebrew is a violation of article 65 of the same convention.