Dienstag, 17. März 2015

Ein Quartalsirrer schmiert für den Tagesspiegel -- Casdorff über den Iran (Updated)

In seinem unglaublichen Artikel "Wenn es um den Iran geht, hat Israel keine Wahl" lügt Stephan-Andreas Casdorff seiner Leserschaft wieder einmal die Hucke voll. Nach einem verschwurbelten "Ich-mag-ihn-ja-auch-nicht-aber-er-könnte-ja-doch-gewinnen-länger-im-Dienst-war-nur-Ben-Gurion"-Lobhuddelabsatz über den Irren von Tel Aviv, Netanyahu, schreibt er von der Bedrohung des Landes durch -- klar, den Iran.

Zunächst einmal nennt er den Iran eine Mullahkratie, was ein Maß an Unkenntnis über die Partizipationsmöglichkeiten der Iraner offenbart, daß es einen Hund jammert. Die Menschen dort gehen regelmäßig zu den Wahlen und erreichen damit Wahlbeteiligungsquoten, für die hierzulande Jubelorgien gefeiert würden. Selbst der Wächterrat wird gewählt. Keine einzige Anschuldigung der Wahlfälschung ist bisher nicht zurückgezogen worden, das Wahlsystem des Iran ist vom Technischen her sehr viel sicherer als das Deutschlands. Das alles kümmert das Lügenmaul nicht.

Casdorff fährt fort:
Netanjahu sagt also: Kein Abkommen mit dem Iran ist besser als ein schlechtes. Abgesehen davon, dass der schlichte Satz immer und überall richtig ist – in diesem Fall ist er es ganz sicher. Schlecht wäre ein Abkommen, wenn die Nukleartechnik im Iran nicht zu überprüfen wäre. Schlecht wäre, wenn die Mullahs danach Israel immer noch von der Landkarte löschen wollten. Und schlecht wäre, wenn die Nachbarn aus Furcht oder aus Konkurrenzdenken beschließen würden, jetzt auch Atomwaffen zu bauen. Ein atomarer Rüstungswettlauf in der Region, die sowieso schon ein Pulverfass ist, das hätte gerade noch gefehlt.
und wiederholt damit so ziemlich jede Lüge über den Iran, die israelische Hasbara und ihre Freunde im Land der besonders Freien bisher verbreitet haben. Also sehen wir uns das näher an:
  1. Der Iran ist Mitglied des NPT. Es bestehen Vereinbarungen zwischen dem Iran und der IAEA, die eine Kontrolle des Atomprogramms garantieren: INFCIRC/214. Dieses Dokument ist offen einsehbar. Auch für Lügenmaul Casdorff. Alle nukleartechnischen Anlagen des Iran werden kontrolliert. Dies wird mit schöner Regelmäßigkeit von der Organisation selbst bestätigt -- indem sie Berichte über die Kontrollen im Iran veröffentlicht. Der letzte liegt hier: Klick! Auch dieses Dokument ist für Casdorff abrufbar.
  2. Kein einziger Iraner hat verlangt, Israel von der Landkarte radieren, löschen, ausschneiden oder sonstwie verschwinden lassen zu wollen. Der beste Zeuge dafür ist das von der Israelin Meyrav Wurmser und vom israelischen Militärgeheimdienstler Yigal Carmon gegründete Middle East Media Research Institute, einer Einrichtung zur Betonung der Wichtigkeit des Zionismus. Die haben sich Ahmadinejads angeblich berüchtigte Rede angesehen und übersetzt: Klick! Nichts da mit Auslöschen, nichts da mit Radieren von der Landkarte, wie Israel Palästina von der Landkarte radierte, sondern "verschwinden aus den Seiten der Geschichte", und zwar so, wie sich das mit dem Regime des Schahs oder der Sowjetunion eben auch erledigte -- von selbst.
  3. Elegant verpackt Casdorff die Behauptung, der Iran baue an einer Atombombe, in das kleine Wörtchen "auch" ("jetzt auch Atomwaffen zu bauen"). Liebes Mietmaul: Es gibt dort nur ein einziges Land, das Atomwaffen besitzt, neue baut, nicht Mitglied des NPT ist, sich weigert, den Vertrag zu unterschreiben, sich weigert, sich inspizieren zu lassen, und jede Konferenz zu einem WMD-freien Nahen und Mittleren Osten boykottiert oder torpedert: Israel.
Was dann folgt, ist ein Sammelsurium von Vorstellungen über den Bau von Atomwaffen und angeblichen Plänen dafür, wie es einem unterbelichteten Hauptschüler sicherlich gut zu Gesicht stehen würde -- einem halbwegs gebildeten Hauptschüler nicht. Casdorff schreibt nämlich:
Naiv wäre anzunehmen, dass das Regime in Teheran einfach ablassen wird von seinen Atomplänen; wo es doch auf der anderen Seite Uran anreichert und auf den technischen Möglichkeiten zum Bau von Atomwaffen beharrt. Naiv wäre zu glauben, dass die Mullahs einem Abkommen zustimmen würden, das ihnen den Zugang zu Atomwaffen langfristig versperrt; wo das Land sich doch in einem Konkurrenzkampf um die beherrschende Macht in der Region befindet, unter anderem mit dem sunnitischen Saudi-Arabien. Naiv wäre zu erwarten, dass ein Abkommen den Iran dazu bringt, dem Terror abzuschwören und der Unterstützung des Terrors; wo er als schiitische Vormacht doch genau das tut.
Das volle Repertoir zionistischer Verleumdungen, so liest sich das. Werfen wir wieder einen genaueren Blick darauf:
  1. Casdorff schreibt von "Atomplänen" des "Regimes in Teheran". Nun, es sind, soweit es die zivile Nutzung der Kernenergie angeht, die meisten Iraner für diese Pläne. Von Atomwaffenplänen berichtet allerdings niemand, auch nicht die IAEA. In keinem einzigen Dokument der Organisation wird von einem iranischen Atomwaffenprogramm berichtet, ja, es wird nicht einmal eines unterstellt, vermutet oder an die Wand gemalt.
  2. Die Urananreicherung, die der Iran unternimmt, ist notwendig. Zum einen wird damit Brennstoff für die Reaktoren des Landes hergestellt. Dies betrifft die Anreicherung auf 3,75% LEU (niedrig angereichertes Uran). Zum anderen benötigt der Forschungsreaktor in Teheran U235 in 19,75%iger Anreicherung, um medizinische Isotope herzustellen (99Mo => 99mTc). Letzteres ist auf dem Weltmarkt nicht in ausreichendem Maße zu erhalten, also produzieren die Iraner ihre Isotopen selbst. Sie dürfen das, weil sie nach Artikel IV des NPT ein unveräußerliches Recht darauf haben. Und sie haben die Ehrlichkeit dieses Unterfangens bereits nachgewiesen, indem sie schrittweise Brennstoffplatten hergestellt haben, die vom Iran nicht weiter angereichert werden können.
  3. Die Schlußfolgerung, die Mullahs, ah ja, deshalb der Begriff oben, würden sich einem Abkommen gegen Atomwaffen verwehren, ist absolut idiotisch, denn genau das leistet der NPT. Sie haben es schon getan, Freund Blase, sie haben sich dem Verbot des Baus einer Atomwaffe unterworfen.
  4. Der "Iran als Terrorunterstützer" ist ein bekanntes Sujet. Langsam wird dem Leser klar, warum Argentinien und die angeblich verschleierte AMIA-Untersuchung durch die Medien gehechelt wurden. Im immer noch aktuellen Bericht des National Counter-Terrorism Center taucht das Land allerdings nur einmal auf: als Herkunftsland der Opfer. Zum öffentlichen Kalender geht es hier entlang: Klick!
  5. Casdorff hat nicht bemerkt, daß der Iran über eine sehr gut eingespielte Soft-Power-Strategie verfügt, deren Früchte ihm gerade in den Schoß fallen. Saudi-Arabien seinerseits schießt gern mal den Protest der schiitischen Mehrheit in den ölreichen Ostprovinzen oder im Nachbarland Bahrain zusammen, was das Land in des Lügenmauls Augen garantiert zum Botschafter der Demokratie der Region macht -- außer der kleinen, verletzlichen und einzigen sowieso, versteht sich.
Netanyahus Mietmaul Casdorff geht noch einen Schritt weiter. Er versteigt sich zu folgender Aussage:
Benjamin Netanjahu sagt: Wenn der Iran als normaler Staat behandelt werden will, dann soll er sich wie einer verhalten. Wieder ein schlichter Satz – und wer sagt, dass darin nicht schlicht die Wahrheit steckt? Ein normaler Staat: Die Mullahs, an der Spitze Ajatollah Hassan Ruhani, reden freundlicher als der vormalige Präsident Mahmut Ahmadinedschad. Aber hingerichtet wurden unter Ruhani noch mehr Menschen.
Brav nachgeplappert, Schwätzer. Die Iraner haben ihr eigenes Rechtssystem. Du, Casdorff, mußt ja nicht dort wohnen. Nur ist es eben so, daß die Mehrheit der Todesurteile, die ich auch gern als lebenslängliche Freiheitsstrafen sehen wollte, gegen Drogendealer, -schmuggler und -händler oder gegen Mörder verhängt werden, wobei Letztere nach der schiitischen Shari'a auch im Benehmen mit den Familien der Opfer in eine Freiheitsstrafe umgewandelt werden können.

Eine Unverschämtheit aber ist das Verschweigen der Massakerpolitik des Mannes, den er hier lobpreist. Im letzten Gazakrieg wurden von der Soldateska Israels 2131 Menschen ermordet, davon 1473 Zivilisten, unter ihnen 501 Kinder und 257 Frauen. Dazu geht dem Heuchler Casdorff kein einziges Wort über die Lippen. Er äußert sich nicht zum illegalen, weil zusammengeraubten und zusammengestohlenen sowie unkontrollierten Atomwaffenprogramm des Massakerstaats, nicht zu Landraub und Ausradieren Palästinas, nicht zur willkürlichen Entführung von Palästinensern von der West Bank und aus dem Gazastreifen. Jüngst waren unter den 22 Entführten auch wieder sieben Kinder.

Man täte Casdorff sicherlich unrecht, ziehe man ihn einer Auftragsarbeit. Ich fürchte, es ist noch schlimmer. Obwohl alle Fakten nachprüfbar sind, obwohl die Lüge offensichtlich ist, schreibt er seinen Artikel, wie er ihn schreibt. Er ist ein Überzeugungstäter. Das macht es noch schlimmer, denn er wird sich irgendwann, wenn das Mäntelchen nach dem neuen Wind ausgerichtet und das Gewinde im Hals eine Drehung weiter gedreht worden sind, Fragen stellen müssen. Ich hoffe, ich bin dabei.


Update:

DNI James Clapper hat sowohl den Iran als auch die von ihm unterstützte Hezbollah aus der Liste der terroristischen Bedrohungen gestrichen, berichtet die iranische Agentur PressTV:
Highlighting Iran’s regional role, the report pointed to the Islamic Republic’s “intentions to dampen sectarianism, build responsive partners, and deescalate tensions with Saudi Arabia.”

Iran has “overarching strategic goals of enhancing its security, prestige, and regional influence [that] have led it to pursue capabilities to meet its civilian goals,” the report said.

The report also said that Hezbollah is countering ISIL Takfiri terrorists in Syria and Iraq.

Update 2:

Mittlerweile bestätigten die Times of Israel und Newsweek diese Meldung.