Donnerstag, 10. September 2015

Rötzer rotzt ins Internet (Updated)

Die Zeiten, in denen Telepolis-Autoren wenigstens ansatzweise den Versuch unternahm zu recherchieren, sind für Rötzer offensichtlich lange vorbei. Sein Artikel "Israel ist der einzige Abwehrschild gegenüber dem extremistischen Islam" gibt sich den Anschein, beide Seiten einfach nur wiederzugeben, nur scheint die Verbindung zwischen Augen und Hirn unterbrochen worden zu sein. Sehen wir uns das Geschmiere an.

Im Teaser läßt Rötzer verlauten, "[d]ie israelische Regierung und Ajatolla Khamenei schüren den Konflikt", ohne näher zu erläutern, welcher Konflikt das sein soll. Er spannt einen Bogen von Kiew nach Moskau, von dort nach Teheran und anschließend nach Damaskus, ohne die Tatsache zu erwähnen, daß Rußland einen militärischen Beistandspakt mit Syrien unterschrieben hat und daher verpflichtet ist, dem Land auch zu helfen. Auf der anderen Seite sind Erpressung und Druck der US-Regierung auf Bulgarien und Griechenland, keine russischen Frachtflüge über ihr Territorium nach Syrien zu genehmigen, "Bemühungen". Rußland kommt seiner völkerrechtlichen Verpflichtung nach, die USA drohen und erpressen -- die Bösen aber sitzen in Moskau. Schön auch, daß der Schmierfink die gespielte US-Empörung über eine angebliche Eskalation des Bürgerkriegs durch Rußland nachplappert, waren es doch die USA, die Türkei und ihre Verbündeten im Golf, die die sogenannten "Rebellen" in diesem Krieg von außen organisierten, finanzierten und bewaffneten. Vergessen auch die Rolle Botschafters Ford, der durch die syrische Provinz tingelte und zum allgemeinen Aufruhr hetzte -- bis man ihn Hals über Kopf aus dem Land abzog. Er hatte seine Schuldigkeit getan, was ihn allerdings nicht daran hinderte, noch einmal illegal einzureisen und seine Brüder im Geiste zu besuchen.

Teheran ist auch böse, so Rotzer-Rötzer, denn die Iraner haben den Russen diese Überflugrechte in Richtung auf Assads Land gewährt. Rötzer scheint das zu verwundern, den Beistandspakt der Iraner mit Syrien hat er ebenfalls vergessen.

Dann überrascht uns der Autor mit einer Posse ohnegleichen: Die Israelis äfften die Ukrainer nach, schreibt er:
Bislang haben wir immer wieder von der ukrainischen Regierung oder transatlantischen Lobby-Organisationen wie dem Atlantic Council gehört, dass die Ukraine das letzte Bollwerk vor der "russischen Aggression" oder, wie Präsident Poroschenko auch gerne sagt: "dem Feind" ist (Ukraine: Der gute Westen gegen das böse Russland). Deswegen, so der Tenor, müsse die Ukraine bedingungslos als westliche Vorhut unterstützt werden, ansonsten drohten die Sicherheit, der Frieden und die westlichen Werte baden zu gehen.

Jetzt versucht sich auch die israelische Regierung auf ähnliche Weise zu positionieren. Nach dem Gespräch mit EU-Präsidenten Tusk und vor dem Abflug des israelischen Regierungschefs Netanjahu nach Großbritannien forderte er die EU auf, sie solle aufhören, "Israel unter Druck zu setzen und anzugreifen". Das Land sei "die einzig wirkliche Verteidigung, die Europa gegen die ansteigende Flutwelle des radikalen Islam hat".
Wieder lügt er, denn die Zionisten sahen sich schon lange vor der einseitigen Ausrufung ihres Staates als Bollwerk an -- mal für die Briten am Suez-Kanal, mal für die Amerikaner gegen die Kommunisten, nun also angeblich gegen die arabischen Islamisten.

Rötzer stört es nicht, daß die Israelis die Muslim Brotherhood im Gazastreifen nährten, hegten und pflegten, die Kämpfer von Sharon in den Village Leagues ausbildeten und bewaffneten und anschließend gegen Arafats PLO in Position zu bringen trachteten. Der Schmierfink weiß es, er hätte nur die Kommentare zu seinen früheren diesbezüglichen Artikeln lesen müssen. Er läßt es weg, weil er Geld verdienen will. Er könnte wissen, was Yitzhak Segev, der ehemalige Militärkommandant von Gaza, sagte:
Israeli military governor of the Gaza Strip, Brigadier General Yitzhak Segev, once told me how he had financed the Islamic movement as a counterweight to the PLO and the Communists. "The Israeli Government gave me a budget and the military government gives to the mosques," he said. (Zit. in: Robert Dreyfuss: "The Devils Game", p. 197.)
Dreyfuss zitiert auch die ehemalige CIA-Analytikern Kessler:
Radical Islam and extremism didn't come into play as much with the Palestinians as elsewhere, at least early on. Many among the Palestinian diaspora were educated, sophisticated, and secular. Their move toward Islamic radicalism didn't take place until later. The Israelis encouraged it quite a bit. Although they weren't responsible for it completely, they didn't crack down on it. They allowed them to flourish. Where they could fiddle around with events to elevate Islamists to the detriment of Fatah, they would. They'd treat religious figures with deference. (Ebd., p. 198.)
Oder den ehemaligen Mitarbeiter des Geheimdienstes des State Departments David Long:
"I thought they were playing with fire," says David Long, a former Middle East expert at the State Department's Bureau of Intelligence and Research. "I didn't realize they'd end up creating a monster. But I don't think you ought to mess around with potential fanatics." (Ebd.)
Verwiesen sei auch auf diesen Artikel bei Counterpunch: Klick! über die Rolle Sharons als Landwirtschaftsminister bei der Gründung der Hamas.

Zurück zum Rotzer. Nach belanglosen Zeilen über Tusk und den von Israel gehaßten Iran-Deal, über die Arbeit der Ziocons im amerikanischen Parlament, die versuchen, den Deal zu verhindern, und die russische Erklärung, dem Iran nun die S-300-Luftabwehrsysteme zu liefern, bekommt es Khamenei von Rötzer ganz dick:
So twitterte der oberste geistliche Führer Ajatolla Ali Khamenei gestern, Israel werde es in 25 Jahren nicht mehr geben. Damit will er auf Äußerungen "im zionistischen Regime" nach den Verhandlungen reagiert haben, nach denen der Iran die nächsten 25 Jahre keine Bedrohung mehr darstelle. Überhaupt war es dem Ajatolla äußerst wichtig, die Souveränität des Landes herauszustellen, das keinem Druck von außen nachgibt.
"will reagiert haben", die klammheimliche Unterstellung der Lüge, so geht das in der freiheitlichen Online-Presse a la Rötzer. Nun, 25 Jahre sind 25 Jahre. Daß die CIA Israel angeblich selbst nur 20 Jahre gegeben habe, verschweigt Rötzer. Daß Kissinger die Israel verbleibende Zeit angeblich auf zehn Jahre bezifferte, ebenfalls. Muß er. Khamenei ist der Böse. Daß es Terroristen aus Israel waren, die unter dem Verdacht stehen, sich durch die Reihen iranischer Wissenschaftler zu metzeln, kann er dann nicht schreiben. Auch nicht über die Verkleidungskünste der Mossad-Agenten, die als CIA-Vertreter posierten, um Handlanger anzuwerben, die im Iran für Anschläge sorgen sollten. Wer nach Rotzer-Rötzers Meinung böse ist, soll auch böse bleiben.

Der sich anschließende unsinnige wie an den Haaren herbeigezogene Vergleich Khameneis mit US-Hardlinern und denen aus Israel ist dann nur folgerichtig. Nur: Rötzer, der Iran ist einen Deal eingegangen, obwohl er kein Atomwaffenprogramm aufgelegt hat und keine atomaren Vernichtungsdrohungen gegen andere Länder ausstößt, wie Israels Verteidigungsminister das in der Vergangenheit tat.

Rötzers Artikel endet mit der zu erwartenden Halbstarken-Litanei und dem großzügigen Vorschlag des Regimes in Tel Aviv, doch in Afrika Entwicklungshilfe zu betreiben. Daß die nicht einmal fliehende Syrer ins Land lassen, sondern eine neue Mauer bauen, um deren Eindringen zu verhindern, dabei aber gern mal den einen oder anderen ISIS-, al-Nusra- oder FSA-Terroristen verarzten -- all das ist Rötzer bekannt -- erwähnt der Autor ebenfalls nicht.

Ich hoffe, es lohnt sich für dich, Florian.

Update:

Auf Mondoweiss findet sich das, was Khamenei wirklich sagte:
“After nuclear negotiations, the Zionist regime said that they will not be worried about Iran in the next 25 years,” Ayatollah Khamenei wrote. “I am telling you, first, you will not be around in 25 years’ time, and God willing, there will be no Zionist regime in 25 years. Second, during this period, the spirit of fighting, heroism and jihad will keep you worried every moment.”