Samstag, 31. Dezember 2011

Zum gegenwärtigen Medienhype: Der kreuzgefährliche Iran

Seit einigen Tagen sind die Medien wieder einmal voller Drohungen und Gegendrohungen, Kriegspläne und naseweisen Kriegsausgangsvorhersagen. Zu den Fakten:

Das US-Parlament erließ ein Sanktionsgesetz gegen den Iran, geschehen im Dezember 2009 im Haus of Representatives, nachgeholt im Senat im Februar 2010. Bereits im Oktober 2009 wurde ein Öl-Embargo beschlossen. Die Hauptakteure wurden benannt: Barney Frank, Mark Kirk, Ileana Ros-Lehtinen, Howard Berman, Chris Dodd und Richard Shelby. Die Abgeordneten stammen sowohl aus den Reihen der Republikaner als auch aus der Demokratischen Partei.

Der Washington Report on Middle East Affairs führt u. a. Buch über die Zuwendungen pro-israelischer Aktionskomitees an Abgeordnete. Also sehen wir der Einfachheit halber nach:

Die Liste enthält keine Angabe über Barney Frank, dafür aber über:
  • Mark Kirk: 2010: $42.604, insgesamt: $263.686,
  • Ileana Ros-Lehtinen: 2010: $36.500, insgesamt: $200.240,
  • Howard Berman: 2010: $12.000, insgesamt: $101.050,
  • Christopher Dodd: 2010: $13.000, insgesamt: $247.178 und
  • Richard Shelby: 2010: $5.000, insgesamt: $199.825.
Das heißt, allein die fünf Abgeordneten, die die Gesetze vorantrieben, waren pro-israelischen Aktionskomitees über eine Million Dollar wert. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Im Juni 2011 wurden weitere Sanktionen verhängt: gegen Iran Air, die größte zivile Luftfahrtgesellschaft des Landes, und gegen Tidewater Middle East Co., die Betreiberfirma iranischer Häfen. Als Begründung wurden die Geschäftsbeziehungen zu den Revolutionsgarden angegeben. Desweiteren wurden einige iranische Offizielle sanktioniert.

Mittlerweile ist Präsident Obama "gezwungen worden", einen Zusatz zum Verteidigungsetat zu unterschreiben. Das sogenannte Kirk-Menendez-Amendment soll die Geschäftsbeziehungen zur Iranischen Zentralbank verhindern und alle Länder, die sich nicht an die US-Sanktionen halten, bestrafen. Josh Rogin (Foreign Policy):
The Obama administration has been trying to avoid ramping up the confrontational tone with Iran, especially in an election year. The last thing they want to do is provoke a crisis.
And unfortunately, they've been forced into signing this new sanctions bill. It's the Kirk-Menendez bill which puts crippling sanctions on the central bank of Iran. And not only that, it forces the U.S. to sanction third countries who do business. We're talking about any country around the world. That's every country, including allies like Japan and South Korea.
The administration is in a tough spot here. They have to enforce the sanctions. They have some leeway. But now is the battle over these third countries. And that's what Iran is doing here.
They're sending a message to all these countries around the world, if you follow these U.S. sanctions, we're going to punish you. If you don't follow these U.S. sanctions, the U.S. is going to punish you.
It puts all these countries into a horrible situation, a lose/lose scenario. And that's exactly what the administration was trying to avoid... (Quelle und Bestätigung)
Ich denke, dem aufgeklärten Leser ist bekannt, wer in der Lage ist, auf den mächtigsten Mann der Welt Druck auszuüben. Wem es nicht einfällt, der sollte Alex Kane's Artikel auf Mondoweiss lesen: Klick!

Im Gegensatz zu den Sanktionen, die von den Vereinten Nationen verhängt wurden, handelt es sich bei den von den USA einseitig verhängten Embargos um ein Netz von Bestrafung und Maßregelung, da alle die Unternehmen in der Welt, die mit den sanktionierten Firmen des Iran Handel betreiben, mit Strafgeldern und Handelsverbot in den USA belegt werden. Das nannte man früher Raubrittertum.

Bisher liegen weder der UNO noch der IAEA Kenntnisse über ein existierendes Atomwaffenprogramm des Iran vor. Der jüngste Bericht des Board of Governors der IAEA bezieht sich im wesentlichen auf Anschuldigungen die Zeit vor 2003 betreffend. Allerdings veröffentlichte die IAEA dieses Jahr zusammen mit dem Bericht auch den sogenannten "Secret Annex", in dem sich eigentlich die Beweise für die Anschuldigungen finden lassen sollten. Fehlanzeige, wie der des Englischen kundige Leser leicht erkennen wird.

Der damalige Chef der Geheimdienste der USA, DNI James Clapper, wurde am 16. Februar dieses Jahres zu den Erkenntnissen bezüglich eines angeblichen iranischen Atomwaffenprogramms befragt. Seine Antwort:
"We continue to assess Iran is keeping open the option to develop nuclear weapons in part by developing various nuclear capabilities that better position it to produce such weapons, should it chose to do so," Clapper says in the threat assessment. "We do not know, however, if Iran will eventually decide to build nuclear weapons."
Das heißt nichts anderes, als daß die Erkenntnisse aus dem National Intelligence Estimate 2007 bestätigt wurden. Der Iran hat das unterstellte Atomwaffenprogramm eingestellt. Es ist keine Entscheidung getroffen worden, überhaupt ein militärisches Atomprogramm aufzulegen. Wer wundert sich darüber, daß das sehnsüchtig erwartete NIE 2011 der Geheimhaltung unterworfen worden ist?

In diesem Sinne sind die Sanktionen kein Mittel, eine nukleare Bedrohung zu verhindern oder gar einzudämmen, sondern Strafmaßnahmen gegen ein Land, das Widerworte gibt. Lt. Tagesspiegel, einem Blatt, das gern jeden Hype mitmacht und investigativen Journalismus schon lange nicht mehr betreibt, könnten nur folgende Zugeständnisse des Iran die USA friedlich stimmen:
Aus US-Sicht nur, wenn der Iran sein militärisches Atomprogramm aufgibt, lückenlose Inspektionen durch die internationale Atomenergiebehörde IAEO zulässt, die Unterstützung von Terrorgruppen beendet, das Existenzrecht Israels anerkennt und die übrigen Staaten der Region als gleichberechtigte Partner behandelt. (Siehe Link, S. 2)
Oder kurz: Unterwerfung unter die Interessen der USA und Israels, auf daß deren Hegemonie im Nahen Osten akzeptiert werde. Die Interessen eines der größten und bevölkerungsreichsten Länder der Region haben dahinter zurückzutreten. Es ist leicht einzusehen, daß das nicht geschehen wird. Was die Kontrolle der Atomanlagen angeht, so sind die Tiefeninspektionen, 24/7-Kameraüberwachung und der tollen Satelliten- und Drohnenaufklärung der beiden führenden Kulturnationen der Welt unterworfen. Aus diesen Quellen scheint es bisher keinen Alarmismus gegeben zu haben -- man hätte ihn uns um die Ohren gehauen.

Kurzum: Das einzige Hindernis einer hundertprozentigen Hegemonie der beiden imperialistischsten Staaten dieser Welt soll aus dem Weg geräumt werden. Indizien, Beweise gar oder das Völkerrecht spielen dabei keine Rolle. Klick!

Weitere Informationen zum Thema finden sich immer auf Race for Iran.

Montag, 14. November 2011

Dr. Michael Scheuer im Interview mit RussiaToday zum Nahen Osten

Dr. Michael Scheuer arbeitete über zwanzig Jahre für die CIA und war auch einer der Chefs der bin-Laden-Einheit: Klick!


Donnerstag, 10. November 2011

Zum angeblichen Atomwaffenprogramm des Iran, Teil III


Seit circa einem Jahr wartet die Welt nun aufgeregt auf das in Auftrag gegebene National Intelligence Estimate 2011. Rechtsorthodoxe Kriegstreiber versprachen sich davon eine völlige Neubewertung der iranischen nuklearen Aktivitäten und endlich den Beweis für den Bau von Atomwaffen. Die "smoking gun" aller Geheimdienstberichte sollte es beinhalten. Nur: Was bisher veröffentlicht wurde, deutet in eine völlig andere Richtung.

Zur Vorgeschichte: Im Jahr 2007 stellten alle 17 Geheimdienste der USA einstimmig fest, daß der Iran seine diesbezüglichen Aktivitäten im Jahr 2003 eingestellt habe. Es wurde nicht genau spezifiziert, worin diese Aktivitäten überhaupt bestanden haben sollen. Die Vermutung, der Iran habe an einem militärischen Nuklearprogramm gearbeitet, stammte vom berüchtigten Laptop of Death, dessen Daten nicht einmal der IAEA komplett zur Verfügung gestellt worden sind, weil sie geheim seien. Es gibt eine weitere Vermutung, nämlich die über die Herkunft des Rechners: Israel. Allerdings weigerte sich selbst der Sohn des Schah, Pahlevi Jr., diese Daten für seine Propaganda zu verwenden, obwohl er regelmäßiger Gast der Likud-Politiker war.

Nun aber ist es endlich so weit: Der neue Bericht des Board of Governors der IAEA ist veröffentlicht worden -- ehm, nicht veröffentlicht, aber durchgesickert. Hier ist er: Klick!

Die ihm zugrunde liegenden technischen Inspektionberichte sind derzeit noch nicht erhältlich, allerdings sind deren Ergebnisse im Abschnitt C zusammengefaßt: Nichts Neues im Iran, alle Anlagen laufen, wie sie lt. iranischen Angaben laufen sollen, es gibt keine Abweichungen vom Programm. Bemängelt wird, daß der Iran der Aufforderung zur Einstellung der Urananreicherung nicht nachgekommen ist, bestätigt wird, daß diese nur bis zur Obergrenze von 20% vorgenommen wird.

Der Rest ist eine Frechheit -- und zeigt, daß der Bericht des Boards of Governors eine politische Veranstaltung ist: Zum einen wird in Paragraph 4 festgestellt, daß ein Besuch des Deputy Director General for Safeguards auf Einladung des Iran zur Klärung echter oder vermeintlicher Unstimmigkeiten noch gar nicht stattgefunden hat. Zum anderen wird im Abschnitt G: Possible Military Dimensions fortwährend auf den Annex C.4 verwiesen, wo sich nichts finden läßt, was auch nur entfernt an einen Beweis erinnert. Dafür wird ein ungenannter Atomforscher eines Mitgliedslandes erwähnt, der von Washington Post und Guardian als Dr. Vyacheslav Danilenko enttarnt wurde. Der Mann aber ist Spezialist für die Herstellung von Nanodiamanten und hielt dazu u. a. Vorlesungen an der Drexel Universität. Im BoG-Bericht liest sich das so:
44.  The Agency has strong indications that the development by Iran of the high explosives initiation system, and its development of the high speed diagnostic configuration used to monitor related experiments, were assisted by the work of a foreign expert who was not only knowledgeable in these technologies, but who, a Member State has informed the Agency, worked for much of his career with this technology in the nuclear weapon programme of the country of his origin. The Agency has reviewed publications by this foreign expert and has met with him. The Agency has been able to verify through three separate routes, including the expert himself, that this person was in Iran from about 1996 to about 2002, ostensibly to assist Iran in the development of a facility and techniques for making ultra-dispersed diamonds (“UDDs” or “nanodiamonds”), where he also lectured on explosion physics and its applications.
45.  Furthermore, the Agency has received information from two Member States that, after 2003, Iran engaged in experimental research involving a scaled down version of the hemispherical initiation system and high explosive charge referred to in paragraph 43 above, albeit in connection with non-nuclear applications. This work, together with other studies made known to the Agency in which the same initiation system is used in cylindrical geometry, could also be relevant to improving and optimizing the multipoint initiation design concept relevant to nuclear applications.
Anschließend wird verlautbart, daß der Iran nicht über das Thema diskutieren möge -- bei vorliegender Einladung für den DDG-SG.

Die einzelnen Abschnitte der Annex-Schwurbelei betreffen hochkomplizierte technische Zusammenhänge, wie sie von nur wenigen Ländern in der Welt beherrscht werden. Im Bericht der IAEA erscheinen sie im Gewand einer Klein Fritzchen-Erzählung über die Konstruktion eines Hänsel-Gretelschen Pfefferkuchenhäuschens. Derlei Textqualität ist für die Medien bestimmt und einer internationalen Organisation zur Überwachung der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen unwürdig.

Übrigens hat sich ein Informant geoutet: Some intelligence in IAEA report came from Israel. Dann wird es wohl stimmen.

Ausführliche Würdigungen des Berichtsinhalts findet der geneigte Leser hier:

Nima Shirazi: The New IAEA Report on Iran: An Initial Response to the Explosive Reactions...of the Press
Moon of Alamaba-Blog: On "Nuclear Iran" Allegations: Nanodiamonds Ain't Nuclear Bombs
Derselbe: The IAEA Confirms My Nanodiamond Analysis
Christian Science Monitor: Iran nuclear report: Why it may not be a game-changer after all
PBS: Opinion | The IAEA Report on Iran's Nuclear Program: Alarming or Hyped?
The Guardian: The IAEA report: what does it really mean and will it lead to war with Iran?
Cyrus Sadfari: IAEA overstepping its legal authority on IranJulian Borger, The Guardian: Nuclear Wikileaks: Cables show cosy US relationship with IAEA chief
The Dour Goat Blog: Examining the IAEA's evidence that Iran "may" be pursuing a nuclear weapons programme
Daniel Joyner für JURIST Blog: Iran's Nuclear Program and the Legal Mandate of the IAEA
Gwynne Dyer, New Zealand Herald: Here we go again with nuke 'threat'
Flynt und Hillary Mann Leverett: Pulling the IAEA into the “Attack Iran” Debate Will Backfire
Interview mit Mohamed ElBaradei


Aber der ist ja ein iranischer Agent. *lach*

Freitag, 22. Juli 2011

Update

Wolfgang Hebold nennt sich jetzt abwechselnd @hausenholly und @matkal. Die Broder-Reinkarnation: Verschiedene Nicks zur größtmöglichen Verbreitung von Blödsinn. Matkal ist natürlich eine besondere Form der selbstironischen Reflexion: Wer sich 1977 im zarten Alter von 18 nach Westberlin absetzte ("weil die Russen dort mit dem Einmarsch drohten"), also im besten Rekrutierungsalter, hat (a) der Freiheit einen Dienst erwiesen und (b) jeden Grund, sich mit der Sajeret Matkal zu vergleichen. *lach*

Das kann man alles tun, wenn man nicht einst davon schwadronierte, daß es eine besondere Form von Ritterlichkeit sei, mit dem Klarnamen aufzutreten. Nun ja, nach einer Sperre wegen Pöbelns hat Wolfgang Hebold seine Stimmen wiedergefunden. Mehrere. Mir liegt es natürlich fern, Schizophrenie zu unterstellen. Um Gottes willen, das will ich nicht.

Montag, 13. Juni 2011

Maidhc Ó Cathail: Die seltsamen Bettgenossen der arabischen Dissidenten

Dt. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Wenn es stimmt, wie Shakespeare es in seinem berühmten Satz ausdrückte: "Die Noth kan einen Menschen mit seltsamen Bettgesellen bekannt machen" (in: "Der Sturm", 2.2.37f. -- KW), dann müssen die pro-demokratischen arabischen Dissidenten in der Tat ganz arm dran sein.

CyberDissidents.org ist ein Projekt, das 2008 vom in Jerusalem ansässigen Adelson Institute for Strategic Studies gegründet wurde, "um den Schwerpunkt der Forschung auf Online-Aktivitäten der Demokratiebefürworter und Dissidenten im Nahen Osten zu legen, in der Hoffnung, sie in der Heimat zu stärken und im Ausland auf ihre Notlage aufmerksam zu machen". Bis zu seiner Auflösung 2009 war das Adelson Institute beim Shalem Center ansässig, einer umstrittenen Forschungseinrichtung mit Nähe zu rechtsradikalen zionistischen Auffassungen. 1994 gegründet, wurde das Shalem Center zunächst von seinem gegenwärtigen Vorsitzenden, Ronald Lauder, finanziert, dem Erben des Estée Lauder-Vermögens. Lauer ist auch Präsident des Jewish National Fund, der die ethnische Säuberung durch das Pflanzen von Bäumen auf enteignetem palästinensischen Land fördert. Das Adelson Institute wurde 2007 mit einem Darlehen des Casino-Moguls Sheldeon Adelson aus Las Vegas in Höhe von $4,5 Millionen ins Leben gerufen, der, wie Lauder, ein Patron und Vertrauter des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu ist.

Unter der Leitung von Natan Sharansky, dem ehemaligen israelischen Minister, der seinen Kabinettssitz 2005 aufgab aus Protest gegen Ariel Sharons Abzugsplan aus Gaza, veranstaltete das Institut 2007 in Prag eine Konferenz mit dem Titel "Democracy and Security". Es versammelten sich Vertreter Israels; ihre US-amerikanischen neokonservativen Sympathisanten mit ihren nahöstlichen Lieblingsdissidenten im Schlepptau -- vor allem Richard Perles Israel bewundernder syrischer Protegé Farid Ghadry sowie die gerade installierten osteuropäischen Demokraten, die in der Folge der neokonservativ gestützten "bunten Revolutionen" an die Macht gekommen waren; Letztere vermutlich, um die arabischen und iranischen Teilnehmer zu inspirieren, ihnen nachzueifern.

Ein Jahr später gründete Sharanskys Aktivist und Koordinator der Demokratieprogramme am Adelson Institute, David Keyes, CyberDissidents.org mit und arbeitet seitdem als sein Direktor. Während seines Besuchs in den Vereinigten Staaten 2009, wo er die Mission der Organisation und deren Fortschritte vor pro-israelischen Politikern, Aktivisten und der Presse präsentierte, verbrachte Keyes "erhebliche Zeit" mit dem leidenschaftlichen zionistischen Gelehrten Bernard Lewis, einem Mitglied des Beirats der Gruppe während der ersten zwei Jahre ihrer Existenz. Unter seinen bemerkenswerteren Beiträgen zur arabischen Welt gehört Lewis' Konzept eines "Clash of Civilizations" zwischen Islam und Christentum, seine Unterstützung der "Libanonisierung" der Region and sein “vielleicht bedeutendster intellektueller Einfluß zugunsten der Invasion des Irak."

Anscheinend kaum abgeschreckt von seiner israelischen Herkunft, wurden prominente pro-demokratische Aktivisten des Nahen Ostens vom Adelson Institute für ein Projekt im Internet rekrutiert. In seinem Beirat befinden sich der ägyptische Dissident Dr. Saad Eddin Ibrahim, der Gründer des Ibn Khaldun Center for Development Studies und der Arab Organization for Human Rights sowie Vorstandsmitglied der Arab Democracy Foundation, der an der Konferenz in Prag teilnahm; und Samer Abu Libdeh, der Direktor des Interaction Forum, einer Organisation, die die Zivilgesellschaft und die Demokratie fördert und in Amman sitzt, und ein leitendes Mitglied des Center for Liberty in the Middle East (CLIME). Abu Libdeh betätigte sich auch als Gaststipendiat am Washington Institute for Near East Policy (WINEP), einem Think Tank, der vom American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) gegründet wurde.

Auf seiner Website veröffentlicht CyberDissidents.org provozierende Artikel, wie zum Beispiel einen mit dem Titel "Shocking Videos, Photos, and Tweets from Syria", welcher Amateurvideos, digitale Fotografien und Tweets aus Daraa beinhaltet. Er erschien zuerst auf der Website von The Daily Beast, wo auch David Keyes über die Menschenrechtsverletzungen praktisch jedes Regimes im Nahen Osten bloggt -- außer dem, das Palästina okkupiert. Wenn man unstillbaren Appetit von The Daily Beast für arabische Freiheit berücksichtigt, sollte angemerkt werden, daß sein Schöpfer Barry Diller, der auch das Fox TV Network startete, 1983 eine Konklave in Manhattan einberief, um politische Operationen zugunsten Israels in den Vereinigten Staaten zu koordinieren. Übrigens wurde Präsident Obamas ungenügend enthusiastische Unterstützung für die libyschen Rebellen von einem weiteren Teilnehmer, Martin Peretz, dem ehemaligen Herausgeber von The New Republic der nicht bekannt ist für seine Liebe zu Arabern, scharf kritisiert als "Betrug an der arabischen Revolution, des arabischen Volks und der arabischen Hoffnung."

Im vergangenen April besuchte David Keyes eine Veranstaltung mit dem Titel "Cyber-Dissidents and Political Change", gesponsort vom George W. Bush Institute. "Inspiriert von Präsident und Mrs. Bushs standhaftem Bekenntnis zur Freiheit für alle Menschen", so seine Website, "arbeitet das Bush Institute daran, Dissidenten und Unterstützer der Freiheit zu ermutigen und ein mächtiges Netzwerk zur moralischen Unterstützung und zur Bildung zu schaffen." Keyes war einer der besonderen Gäste in einem TV-Programm, das vom geschäftsführenden Direktor des Instituts, Jim Glassman, präsentiert wurde, der als Bushs Undersecretary for Public Diplomacy Dissidenten aus der ganzen Welt zum Gründungstreffen der Alliance of Youth Movements 2008 versammelte. Die anderen Gäste waren der Präsident von Radio Free Europe/Radio Liberty Jeffrey Gedmin, ein ehemaliger Gelehrter beim neokonservativen American Enterprise Institute und ein Gründungsunterzeichnender des Project for a New American Century; Christopher Walker, Director of Studies bei Freedom House, der Heimat von unermüdlichen Förderern der pro-israelischen Demokratie wie Max Kampelman, Paula Dobriansky und Joshua Muravchik; und der ehemalige Ha’aretz-Journalist Bari Weiss, der stellvertretende Herausgeber der Meinungssparte des Wall Street Journals mit einer Schwäche für die nichtpalästinensischen Dissidenten der Welt.

Dissidenten die ihr Vertrauen in solche unwahrscheinlichen Vorkämpfer der arabischen Freiheit setzen, würden gut daran tun, sich an die Worte Sheldon Adelsons zu erinnen. In bezug auf eine Unterhaltung, die er mit dem iranischen Dissidenten Amir Abbas Fakhravar auf der Konferenz in Prag führte, sagte der Likudnik-Kasinomagnat Berichten zufolge: "Ich mag Fakhravar, weil er sagt, daß das iranische Volk ekstatisch sein werde, wenn wir angreifen." Aber als ein anderer iranischer Demokratie-Aktivist diese Behauptung anzweifelte, antwortete Adelson offen: "Mir ist es egal, was mit dem Iran geschieht. Ich bin für Israel."


Maidhc Ó Cathail hat umfangreich über Israels Rolle in den arabischen Aufständen geschrieben. Vgl. sein Blog The Passionate Attachment.



Mittwoch, 18. Mai 2011

Zum angeblichen Atomwaffenprogramm des Iran, Teil II

Mit der iranischen Revolution 1979 veränderte sich die Lage am Persischen Golf dramatisch: Ein (vermeintlich) ölreiches Land inmitten von Lakaien des Westens, das sich den führenden Kulturnationen der Welt nicht mehr unterordnen wollte -- unerhört.

Dabei standen die nuklearen Aktivitäten des Landes, die unter dem Schah begonnen worden waren, zunächst nicht im Zentrum der Überlegungen, nicht einmal in denen der israelischen politischen Klasse.

Khomeini empfing Ruth Ben-David im Dezember 1978 in seinem Pariser Exil. Sie war von Menachem Begin zu ihm gesandt worden, um die Beziehungen zwischen Israel und einem Iran unter Khomeini zu erörtern. Sie erkundigte sich auch nach dem Schicksal, das die iranischen Juden zu erwarten hätten.

Zwischen Khomeini und Frau Ben-David bestand eine alte Freundschaft. Lt. Ari Ben-Menashe war sie die einzige Frau, mit der der Ayatollah allein in einem Raum bleiben würde ("Profits of War", p. 42). Ben Menashe weiter:
According to accounts directed to intelligence analysts from the Prime Minister's Office, the meeting with the Ayatollah was very friendly. Khomeini made it clear that the Iranian Jews were Iranian citizens and Islam respected Judaism and all other religions that were not seen as heresy. He would not allow Baha'is to practice their religion in Iran, because in Islamic law it is stated that prophets who came before the Prophet Mohammed, including Moses and Jesus Christ, were true prophets, but anyone who came after him claiming to carry the word of God was a heretic, and heretics should be put to death. The Prophet Mohammed was the seal. Khomeini added that the Israeli state in Palestine was also a heresy and should not exist. However, the first interest of the Islamic state was to bring Islam and Islamic government to the Moslem populations in the Arab countries and rid the Moslem world of heretic governments. He also said that Mecca and Medina had to be liberated from the Saudis. 
His message to Begin was clear: Don't worry, Israel. First on my agenda is to deal with my Arab enemies. Then I will deal with Israel. (Ebd.)
Nach Khomeinis Machtergreifung wurden von ihm zwei wichtig Erlasse verabschiedet: eine Fatwa zum Schutz der Juden im Iran und die Einstellung aller nuklearen Aktivitäten.


Die Beziehungen zwischen dem Iran und Israel ließen sich trotz der feindlichen Rhetorik nicht schlecht an. Mitte März 1981 trafen sich der iranische Präsident Abol Hassan Bani-Sadr und der israelische Botschafter in den USA (und enger Freund Menachem Begins), Professor Moshe Arens, in Südfrankreich. Bani-Sadr war zu der Zeit auch der Oberkommandierende der iranischen Armee. Das Thema der Unterredung war ein Luftangriff auf den irakischen Forschungsreaktor Osirak (Tammus). Der Termin war für den 7. Juni 1981 gesetzt, ein Peilsender von einem Mossad-Team plaziert, der Notfall-Landeflugplatz nach dem Angriff ausgewählt: Tabriz im Norden des Iran.

Nach dem erfolgreichen Abschluß der Operation dankte der Kommandeur der iranischen Luftwaffe Menachem Begin persönlich per Telefon. Bani-Sadr beließ es bei einer oberflächlichen Verurteilung der Verletzung der Souveränität eines anderen Landes. (Ebd.)

Das hinter den Kulissen gute Verhältnis sollte sich trotz der Iran-Contra-Affäre und zusätzlicher israelischer Waffenlieferungen an den Iran allerdings schnell verschlechtern. Das Land war den Herren in Washington ein Dorn im Auge, wozu die Botschaftsbesetzung ihr übriges getan hatte. Also setzte ein propagandistisches Kesseltreiben ein, und als Mittel zum Zweck diente eine angebliche nukleare Gefahr.

Im folgenden gebe ich eine Auflistung verkürzt wieder, die Nima Shirazi auf seinem Blog "Wide Asleep in America" zusammengetragen hat. Die detaillierten Informationen sind dort nebst Updates einzusehen: Klick!
  • 24.4.1984: Iran hat Atombombe 1986.
  • 27.6.1984: Iran hat Bombe in sieben Jahren.
  • April 1987, nachdem sich nichts getan hatte: Bedrohung mit iranischer Bombe immanent
  • 1988: Iraker behaupten, der Iran stehe vor der atomaren Schwelle
  • 1991: CIA: Iraner haben alle notwendigen Teile für den Bau von zwei bis drei Atomwaffen
  • Januar 1992: Netanyahu: Iran werde in drei bis fünf Jahren allein eine Atomwaffe entwickeln können
  • Februar 1992: House of Representatives: Iran werde im April zwei oder drei Atomwaffen haben
  • März 1992: Iran habe bereits vier Atomwaffen aus Rußland, CIA: Iran werde Atomwaffen 2000, ooops, nein, 2003 haben
  • Mai 1992: Iran habe bereits zwei Sprengköpfe aus Kasachstan
  • 15.6.1992: IDF-Generalmajor Herzl Budinger: Iran sei am Ende des Jahrzehnts Atomwaffenmacht
  • Oktober 1992: Shimon Peres: Iran werde bis 1999 Atomwaffen haben
  • November 1992: New York Times: Iran werde in ein paar Jahren Atomwaffe haben
  • Ebenfalls 1992: Robert Gates: Iran werde in drei, vier oder fünf Jahren Atomwaffen haben
  • 23.1.1993: Iran gebe bis zu $800 Millionen pro Jahr für Atomwaffenentwicklung aus
  • 24.2.1993: James Woolsey: Iran habe Atomwaffen in acht bis zehn Jahren
  • Ebenfalls 1993: mehrere Zeitungen melden Atomwaffenentwicklungsvertrag des Iran mit Nordkorea, CIA: behauptet Vertrag zwischen Iran und der Ukraine, AFP: Schweiz beliefere den Iran mit Schlüsseltechnologie, Intelligence Newsletter: Frankreich beliefere den Iran, U.S. News & World Report: sowjetische Wissenschaftler arbeiten angeblich in Kasachstan daran, dem Iran waffenfähiges Uran zu liefern
  • Ende 1993: mehrere Quellen: Iran werde Atomwaffen in acht bis zehn Jahren besitzen
  • Januar 1995: John Holum vor dem Congress: Iran könne Atomwaffen im Jahr 2003 haben, Verteidigungsminister Perry: in weniger als fünf Jahren, der Iran werde potentiell eine Atomwaffe aus ehemaligen Sowjetrepubliken kaufen oder stehlen, und zwar "in einer Woche, einem Monat oder fünf Jahren"
  • Ebenfalls 1995: lt. New York Times sei der Iran näher an einer Atomwaffe als gedacht
  • Ebenfalls 1995: Benjamin Netanyahu: drei bis fünf Jahre bis zum Besitz aller notwendigen Komponenten
  • Ebenfalls 1995: Yitzhak Rabin: sieben bis fünfzehn Jahre
  • 15.2.1996: Ehud Barak: 2004
  • 29.4.1996: Shimon Peres: vier Jahre
  • 1997: Israelis sagen iranische Bombe definitiv für 2005 voraus
  • März 1997: wieder John Holum: 2005 bis 2007
  • April 1997: BND: 2002
  • Mai 1997: Los Angeles Times mit Bezug auf israelischen Geheimdienstler: Mitte des nächsten Jahrhunderts
  • 26.6.1997: General Binford Peary: wenn der Iran Uran erhalte, dann habe er die Atomwaffe zum Ende des Jahrhunderts
  • September 1997: Warren Christopher: Iran baue seit Mitte der Achtziger an der Bombe, Netanyahu warnt vor der "gefährlichsten Entwicklung im 21. Jahrhundert"
  • 9.4.1998: Jerusalem Post: Iran habe bereits vier Atomwaffen
  • 21.10.1998: Iran werde Bombe möglicherweise 2003 haben
  • 21.11.1999: AP mit Bezug auf israelische Geheimdienstkreise: fünf Jahre
  • 9.12.1999: General Zinni: in ein paar Jahren
  • Januar 2000: die berüchtigte Judith Miller: Iran könnte jetzt so weit sein, auch wenn es keinen Beweis gebe
  • 9.3.2000: BND: Iran baue an Atombomben und Raketensystemen
  • 27.9.2000: Iran könne um 2005 eine ballistische Nuklearrakete haben, die London oder New York zu erreichen in der Lage sei

Ich spare mir den Rest des Psalms, der Leser wird die Tendenz erkannt haben. Eine weitere Aufstellung der abstrusen Behauptungen aus der jüngeren Zeit findet sich auf Cyrus Safdaris Blog IranAffairs.com: Klick!

Den Abschluß dieses 2. Teils zum angeblichen iranischen Atomwaffenprogramm soll ein Ausschnitt aus einem Interview Trita Parsis mit Shlomo Brom vom Jaffee Center for Strategic Studies bilden:
Brom is an exception. “In many cases, you can see how [planning for worst-case scenarios] leads to self-fulfilling prophecies. That is my debate with many Israelis,” he told me in his small, spartan office at the Jaffee Center for Strategic Studies in Tel Aviv. “It’s much easier to give worst-case scenarios. It usually serves the personal interest of the planner. Because if you are giving the worst-case prophecy, then when it is not realized, everyone is happy. No one remembers it. But when it is realized, you can always say, ‘I told you so.’”He laughed as he said this, but I got the feeling that his level-headedness had not been popular at the Israel Defense Forces.He had been part of the Israeli intelligence apparatus when it systematically overestimated, and at times exaggerated, Iran’s nuclear capabilities.“Remember,”he said mockingly, “the Iranians are always five to seven years from the bomb. Time passes but they’re always five to seven years from the bomb. (Trita Parsi: "Treacherous Alliance", p. 167.)

Wird fortgesetzt ...

Montag, 7. März 2011

Kurze Anmerkung zur "Revolution" in Ägypten

Unsere allwissenden Medien feierten den Abschied Mubaraks aus seinem Amt als Revolution der Ägypter. Daß es nur ein wenig blutiger Putsch des Militärs war, scheint niemand der Gesinnungsschreiberlinge mitbekommen zu haben – oder man wollte es nicht merken. Mein Tip im Freundeskreis war: Der Vize übernimmt, dann das Militär, und nach und nach verschwinden die Anführer der Opposition.

Mittlerweile nimmt das Konturen an. Der Aktivist Amr Abdallah Elbihiry wurde lt. einer Meldung von Al Jazeera zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren verurteilt, abzuleisten in einer Militärhaftanstalt. Elbihiry wurde während einer friedlichen Demonstration verhaftet, die den Rücktritt von Premierminister Ahmed Shafiq forderte.

Auch die Prügelägypter sind wieder in Aktion zu bewundern. Arutz meldet: "Egyptian Security Forces Attack Protesters with Sword". Die klammheimliche Freude ist kaum zu überlesen. Recht haben die östlichen Nachbarn: Dieselben Methoden wie unter Mubarak. Wieder werden Oppositionelle verfolgt, während die Welt ihr Gefallen an der "Revolution" äußert (langanhaltendenr rhythmischer Beifall, Hoch-Rufe auf die Genossen der Partei- und Staatsführung).

P.S.: Dasselbe könnte man über Tunesien sagen. Auch dort sitzt die alte Garde noch auf dem Thron und läßt schon wieder auf Protestler schießen. Und was senden westliche Medien? Eine tolle Revolution!

Ich habe den Eindruck, in den Satrapien soll sich nichts ändern, alles soll so bleiben, wie es ist. Und nur ein Land profitiert davon.

Update: Wie Ma'an berichtet, hat das regierende Militär die Schlinge um den Hals Gazas noch straffer gezogen als vorher.
"It's the same suffering and the same pretext we hear when we try to cross via [Israel's] Erez crossing in the north," he said.(Klick!)

Sonntag, 6. März 2011

Zum angeblichen Atomwaffenprogramm des Iran, Teil I


Das zivile Nuklearprogramm des Landes ist wesentlich älter als die islamische Revolution. Also wird zu erörtern sein, wie es entstand, welchen Status es erreicht hat und welche Beweise für die Behauptung vorliegen, dass der Iran über ein Atomwaffenprogramm verfüge. Zu untersuchen ist weiterhin, wer diese Unterstellung ab wann verbreitete und wer Atomwaffen in der Region besitzt.


Das zivile Nuklearprogramm des Iran

Am 15. März 1975 verkündete die New York Times, dass der Iran in den USA über einen Zeitraum von fünf Jahren $15 Milliarden für „Güter und Dienstleistungen“ ausgeben werde. Diese Angaben seien auf einer gemeinsamen Pressekonferenz des iranischen Finanzministers Hushang Ansary und des US-Außenministers Henry Kissinger gemacht worden. Die Zeitung schreibt weiter:
In addition to the target figure of $15-billion—an increase of about 30 per cent over current Iranian spending in the United States—Iran agreed in principle to spend about $7-billion more on as many as eight large nuclear power plants in the next decade, with total power of 8,000 electrical megawatts.
     Although Iran is a major exporter of oil, the communiqué issued at the end of two days of talks between members of the United States-Iran Joint Commission emphasized the “nonoil” aspects of the agreement.
     […]
    The expert said that the $7-billion to be spend on development projects would be largely devoted to purchasing the nuclear power plants, along with associated water desalting plants, over the next decade. (New York Times, 5. März 1975, pp. 1, 9.)
Dieses Abkommen war nicht das erste seiner Art. Bereits 1974 hatte dieselbe Zeitung gemeldet, dass sich Frankreich bereit erklärt hatte, fünf Atomreaktoren im Wert von $1,1 Milliarden an den Iran zu liefern (New York Times, 28. Juni 1974, pp. 1, 45). Einbegriffen waren die Ausbildung iranischer Wissenschaftler und Techniker und die Schaffung eines Kernforschungszentrums.

Die New York Times unterstrich:
The agreement provides that both parties will respect their “international obligations”. France has signed the Euratom Treaty which prohibits dissemination of weapons or weapon-making capacity to non-nuclear powers, and Iran has signed and ratified the Nuclear Nonproliferation Treaty, which calls for the safeguard system of the International Atomic Energy Agency. (Ebd.)
 Als der Schah in Paris während einer Pressekonferenz nach eventuellen Plänen zur Entwicklung von Atomwaffen befragt wurde, erklärte er, sein Land sei seit mehr als fünf Jahren bereit
to turn our area into a non-nuclear zone, that is, an area, where no nuclear weapons should be used or stored. And we stick to this policy. (Ebd.)
Auf der gleichen Pressekonferenz äußerte der Schah seinen Wunsch, die Erdölindustrie des Landes zu verstaatlichen und Ölgeschäfte auf Staatsebene abzuschließen. Dafür war sein Vorgänger während der CIA-MI-6-Operation „Ajax“ aus dem Amt geputscht worden.

Wir sehen, sowohl die Politiker Frankreichs als auch der Vereinigten Staaten von Amerika hatten bis dahin keine Bedenken, dem Iran Nuklearreaktoren/-kraftwerke zu verkaufen. Und: Deren Bau und Betrieb sollte von Anfang an der Kontrolle durch die IAEA unterworfen werden.

Auch Westdeutschland beteiligte sich an den Atomgeschäften mit dem Iran. Am 6. Juli 1976 lesen wir wieder in der New York Times:
West Germany and Iran have signed two atomic pacts, one of which officially approved completion of multibillion dollar twin reactors that have been under construction for nearly a year.
Following signing ceremonies yesterday, officials of the two countries pledged that the plants would be used for peaceful purposes only.
     Iran signed a nuclear cooperation agreement with France in 1974. But the German agreement was the first firm construction contract signed by Iran. (
New York Times, 7. Juli 1976, p. 22.)
 Am 9. März 1975 erschien ein Beitrag, der die Hintergründe der Atom-Abkommen beleuchtete. Unter dem Titel „Iran Has Plans For When the Oil Runs Out“ lesen wir:
Iran, mindful that even her 60-billion-barrel reserve of oil will some day run out, has been spending billions of petrodollars on an alternative energy source, nuclear power. Deals have been made with France, West Germany and last week, the United States.
     Since India last year used Canadian and United States industrial nuclear material to explode an atomic bomb, the question arises as to Iran’s real intentions. The Shah has also been purchasing billions of dollars worth or. weapons, many of which can be equipped with nuclear arms. He also has spoken about expanding Iran’s sphere of influence.
     The Teheran Government insists the purchases are for peaceful purposes only. Moreover, Iran has publicly called for United Nations action to keep the Persian Gulf area free of nuclear weapons.
     Secretary of State Kissinger said that the nuclear deals would be subject to the “safeguards that are appropriate” under the Nuclear Nonproliferation Treaty, to which Iran is a signatory. But India is not “It is not a deliberate policy of the United States to spread nuclear technology around,” Mr. Kissinger said.
Als problematisch sahen US-Vertreter die Möglichkeit, dass verbrauchtes Uran genutzt werden könnte, um Plutonium zu produzieren. Dem sollte durch zusätzliche Kontrollen begegnet werden, an denen US-Vertreter schon arbeiteten:
Despite Mr. Kissinger’s assurances, however, differences over what to do with uranium fuel after it has been used in the power plants have delayed completion of the deal. The spent fuel can be used to produce plutonium, which in tum can be used to make atomic bombs.
     Officials are trying to work out safeguards, especially if Iran is to reprocess the fuel. (Ebd.)
Dieser Artikel ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen sah der Iran offensichtlich schon 1974 voraus, dass sein Ölreichtum nicht ewig halten würde, sondern dass im Gegenteil sofortige Investitionen durch mehrere Länder nötig seien, um sein Land auf die Energiegewinnung durch Atomkraft umzustellen. Zum anderen bestätigte US-Außenminister Kissinger, dass der Bau dieser Anlagen von Anfang an unter die Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde gestellt würde.

Die Ausbildung der iranischen Nuklearwissenschaftler und -techniker am MIT (mit dem Ziel des Master-Abschlusses) war nicht unumstritten. Studenten betonten, es handele sich beim Schah von Persien um einen Despoten, der das Wissen für die Entwicklung von Atomwaffen missbrauchen könne. Die Bedenken im Lehrkörper gingen allerdings in eine andere Richtung:
Some faculty members have also expressed reservations, although they are less concerned with the political issues raised by the students than worried that such specially funded programs might compromise the academic integrity of M.I.T. and the worth of its degrees. (New York Times, 27. April 1975, p. 16.)
Das Ausbildungsprogramm für die Iraner wurde letztlich mit Zweidrittelmehrheit bestätigt — wohl nicht zuletzt deswegen, weil die Einnahmen aus der Übereinkunft die Einstellung von drei neuen Mitarbeitern erlaubten. (Ebd.)

Der Chef der nukleartechnischen Fakultät äußerte sich zu den möglichen Folgen für die Verbreitung von Atomwaffen so:
Dr. Hansen dismissed the worries about nuclear proliferation by noting that other disciplines, such as chemistry, were more relevant to the production of weapons; that the type of reactors used in Iran were not so capable as others of producing convertible plutonium; that Iran was a signer of the nuclear nonproliferation treaty, and that, in any case, much of weapons technology was now common knowledge.
     “Any technical education for intelligent people will be enough for them to make weapons using publicly available sources of information,” he said.
Während in US-Zeitungen Stellenanzeigen erschienen, in denen Personal für den Bau von Nuklearanlagen im Iran angeworben werden sollte, verwehrte sich Irans Premierminister Hoveida bei einem Besuch in Paris gegen den Vorwurf, sich zusammen mit Israel und Südafrika Atomwaffen verschaffen zu wollen:
Mr. Hoveida scoffed at the suggestion that there was a “nuclear axis” growing through Iran, Israel and South Africa. The Prime Minister said such an axis would be a “zigzag” and added that Iran was buying plutonium “a little bit in all parts of the world” for peaceful energy development purposes. (New York Times, 29. Mai 1976, p. 5.)
Keine Achse des Bösen also. Und der Schah? Der hatte sich in einem Interview im Herbst 1975 so geäußert:
Everyone knows that if this country is attacked, we are going to resist and they’ll have to concentrate a lot of troops to overcome us. An atomic attack? That’s beyond us, but if that happened, it would involve you. I don’t think the rest of the world, Europe or American, could afford to lose Iran.
[...]
     Honestly. I am not really thinking of nuclear arms. But if 20 or 30 ridiculous little countries are going to develop nuclear weapons, then I may have to revise my policies. Even Libya is talking about trying to manufacture atomic weapons—God knows for what purpose.
(New York Times, 25. September 1975, p. 8.)

Lächerlich kleine Länder mit Atomwaffen?

Wird fortgesetzt ...

Donnerstag, 13. Januar 2011

Gab es ein Massaker in Deir Yassin?

In einer Diskussion über die Drohung der Hamas, den Waffenstillstand für den Fall eines israelischen Angriffs auf Gaza aufzukündigen, stellte ein Wolfgang Hebold in Abrede, daß in Palästina durch zionistische Terroristen Massaker an Zivilisten verübt worden seien. (Zur Debatte: Klick!)

Ist es das einen Blogbeitrag wert? Nun, Kommentator Hebold ist immer dann anzutreffen, wenn es darum geht, Verbrechen israelischer Politiker oder Militärs schönzufärben. Zu Beginn des Massakers 2008, also der Operation Cast Lead, meinte er in die Welt hinaus blasen zu müssen:

Endlich!!! 
Hoffentlich wirft Israel vor einer größeren Operationen die europäischen Gutmenschen aus dem Gaza-Streifen raus. Die arbeiten doch ohnehin als gleichsam embedded journalists für die Hamas.

Danach erfährt die Hamas dann, was Krieg wirklich bedeutet und dass man nicht über Jahre ungestraft seine Nachbarn beschießen und ihnen mit Ausrottung drohen darf. Und hoffentlich überhören wir dann endlich das Gejammere dieser Pseudohelden, die aus Kinderwagen heraus die große Schnauze riskieren.

Mein größter Wunsch: Dass die Verlust unter den israelischen Soldaten möglichst gering bleiben.

Ich halte so etwas für grenzwertig. Also erlauben wir uns einen kleinen Exkurs: Wer ist Wolfgang Hebold?

Zuallererst: Er ist lt. Amazon.de Mathematiker und lt. Klappentext seines Buches "50 Klassiker Siege und Niederlagen: Von Troja bis Yom Kippur" militärhistorischer Autodidakt. Sein Elaborat wurde vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr seinen eigenen Angaben zufolge als gute Unterhaltung für junge Rekruten gewertet. Eine klassische Klatsche, aber ich gönne jungen Nachwuchshistorikern jedes Abenteuer. Problematisch wird es, wenn sich Fachleute um die Ergüsse kümmern: Ein Helmut Staarmann, mutmaßlich der Bataillonskommandeur Major Helmut Staarmann, sieht das in seiner Rezension des Buches so:
Mag auch die textliche Abhandlung zu jeder der aufgeführten militärischen  Ausein- andersetzung gut zu lesen sein, kommt sie nie über das Niveau eines Schulaufsatzes mit eingestreuten, unfundierten Bewertungen hinaus. Ins Unwissenschaftliche gleitet der Autor bei den, zu jeder Schlacht gehörenden, Zusammenfassungen "Daten und Fakten" ab. Mögen die militärischen Auseinandersetzungen der Neuzeit auch analysierbar sein, bei Auseinandersetzungen, von denen nicht einmal sicher ist, ob sie stattgefunden haben (Troja) oder deren Verlauf kaum bekannt ist (Marathon) ist eine Bewertung wie am Ende eines Fußballspiels (Teilnehmer, Tote, Sieger) wissenschaftlich sehr zweifelhaft. Peinlich wird es in den Schlachtendarstellungen, in denen der Autor den Bogen zur Neuzeit zu spannen versucht. Z. B.: Schlacht auf dem Lechfeld 955 - Bedrohung aus dem Osten - 1939 Angriff Richtung Osten durch Hitlerdeutschland gegen die Bedrohung aus dem Osten - Ebenfalls Untergang - Ost-West Konflikt - 1000 Jahre später (1955) Gründung der NATO. Man kann nur annehmen, dass dem Autor bei der Abhandlung der Schlacht auf dem Lechfeld der Stoff ausgegangen ist. Militärischer Dilletantismus macht sich im "Kleinen Glossar militärischen Begriffe" ab Seite 270 breit: Keiner, [sic!] der vom Autor (gem. Klappentext ein militärhistorischer Autodidakt) aufgeführten "militärischen" Begrifflichkeiten ist fun- diert erklärt, viele sind schlicht falsch oder fehlerhaft dargestellt. So stellt sich Klein Fritzchen den Krieg vor. (Quelle: Klick!)
Ich werde ein so bewertetes Buch garantiert nicht kaufen, aber wer mehr weiß, sollte mir eine E-Mail mit den entsprechenden Informationen zukommen lassen. Vielleicht hat ja jemand das Buch gelesen, vielleicht liest der Autor selbst mit und meldet Widerspruch an.

Interessant finde ich weder die Person Hebold noch sein mangelhaftes militärische Wissen (er zog lt. Amazon.de im Alter von 18 Jahren -- mit Sicherheit zufällig und garantiert unfreiwillig -- nach West-Berlin, wo er keinen Wehrdienst leisten mußte), sondern die Tatsache, daß überhaupt jemand offensichtliche Tatsachen leugnet und hofft, damit durchzukommen. In einer Zeit, in der nur noch wenige Augenzeugen der Verbrechen leben und Holocaust- wie Nakba-Leugner immer leichteres Spiel haben, ist es unter Umständen hilfreich, sich anzusehen, mit welchen verlogenen Tricks und Taktiken die Ewiggestrigen arbeiten.

Und so geht das: Wolfgang Hebold schreibt zu den angeführten Beispielen Deir Yassin und Dawaymeh, zu vernichteten palästinensischen Dörfern und zum Terror von Irgun und Stern-Bande unter anderem:
Wollen Sie mich für dumm verkaufen? Die genannten Beispiele wurden Ihnen schon so oft hier widerlegt, dass einmal der Punkt kommt, an dem man darauf verzichtet. Ok?

Der Vollständigkeit halber: In keinem der genannten Orten kam es zu Massakern. Das können Sie bei Morris nachlesen. Die Massaker entstammen Ihrer offenbar blühenden Phantasie.
Abgesehen davon, daß der Mensch noch nie irgendein Massaker in Palästina widerlegt hat, erscheint die Angelegenheit  auf der folgenden Seite in einem ganz anderen Licht. Der selbsternannte Historiker Hebold zitiert den israelischen (und pro-zionistischen) Historiker Benny Morris (siehe Lektüreempfehlung) im Interview in der Absicht, seine Einlassung zu bekräftigen (selbstverständlich ohne eine Quelle beizubringen, das hat bei ihm Methode). Darin (Klick!) lesen wir zu unserem großen Erstaunen unter anderem:
Frage: According to your findings, how many acts of Israeli massacre were perpetrated in 1948?

Morris: Twenty-four. In some cases four or five people were executed, in others the numbers were 70, 80, 100. There was also a great deal of arbitrary killing. ... The worst cases were Saliha (70-80 killed), Deir Yassin (100-110), Lod (250), Dawayima (hundreds) and perhaps Abu Shusha (70). There is no unequivocal proof of a large-scale massacre at Tantura, but war crimes were perpetrated there.
Das liest sich schon anders. 24 Massaker, Kriegsverbrechen in Tantura. Ausdrücklich wird Deir Yassin angesprochen. Nun versucht Hebold, das klassische Selbsttor (Schlampigkeit? Mangelnde Englischkenntnisse?) rückgängig zu machen, indem er angebliche Falschübersetzungen und -- natürlich von ihm diagnostiziertes -- fachliches Unwissen unterstellt, wo keine Übersetzung stattfand und von ihm selbst nichts Substantielles beigebracht worden ist. Ein billiger Propaganda-Trick: Die Aussage des Gegenüber ins Unmögliche verfälschen und anschließend locker-flockig widerlegen, ohne sich um die eigentlichen Fakten kümmern zu müssen.

Um den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, beschäftigen wir uns nun mit dem Massaker in Deir Yassin. Alles andere war nur ein -- hoffentlich lehrreicher -- Aufhänger.





Das Massaker von Deir Yassin

Mit der Beschlußempfehlung in Form der UN-Resolution 181 sollte Jerusalem eine Stadt unter internationaler Verwaltung darstellen, die weder zu Israel noch zu Palästina gehört. Die Gründe waren die einzigartige Konzentration der Heiligtümer der drei monotheistischen Religionen in der Stadt und die potentielle Unruhe, die daraus erwachsen könnte, wenn nur eine Partei Zugriff auf diese Orte hätte.

An der Straße von Tel Aviv nach Jerusalem befand sich das Dorf Kastel (= al-Kastal, Qastil), das von der Palmach erobert und an die Haganah übergeben worden war. Die strategische Lage des Dorfes machte in Hinblick auf die geplante Gründung Israels ein Festhalten daran zum Imperativ, wenn man Jerusalem als Hauptstadt verkünden wollte. Zwischen Kastel und Jerusalem lag das Dorf Deir Yassin. Lag. Heute befindet sich dort Kfar Sha'ul, ein Vorort Jerusalems, der unter anderem das Government Hospital for Mental Diseases beherbergt.

David Shaltiel, der Haganah-Kommandant von Neu-Jerusalem, und sein Adjutant Yeshurun Schiff wollten den Besitz Kastels unbedingt sicherstellen. Deswegen trafen sich Schiff, Yoshua Zeitler (der Kommandant der Stern-Bande in Jerusalem) und Mordechai Ra'anan (der Irgun-Kommandant von Jerusalem) am 6.4.1948 auf der King George V Avenue (Alan Hart: "Zionism: The Real Enemy of the Jews", Vol. I: "The False Messiah", p. 225). Die beiden Terroristen-Führer erbaten sich für die Unterstützung der Haganah beim zu erwartenden Kampf um Kastel Waffen, Munition und Granaten. Irgun und Stern-Bande erklärten sich zur Mitarbeit bereit, wollten allerdings nicht Kastel, sondern Deir Yassin angreifen. Die Ausrüstung wurde dennoch von der Haganah geliefert.

Der von Hebold als Kronzeuge angeführte israelische Historiker Benny Morris dazu:
The Haganah command in Jerusalem, which had a good working relationship with the local IZL [Irgun Zvai Leumi, Irgun -- KW] tried to persuade the commanders to join the battle at al-Kastal. The IZL men declined, saying they had no transport and were, in any case, interested in mounting a separate, independent operation. Deir Yassin was targeted. In the planning meetings between IZL and LHI [LEHI, Stern-Bande -- KW] officers, they agreed to expel the inhabitants. The LHI men proposed that villagers who did not run away should be killed in order to terrify the country's Arabs. Most of the IZL and LHI officers present said they favored killing adult male prisoners, but the IZL command rejected these suggestions. According to one IZL officer, the troops were ordered not to kill women and children or prisoners. (Quelle: Benny Morris: "Righteous Victims: A History of the Zionist-Arab Conflict 1881-2001", p. 207.)
Deir Yassin, das neue Operationsziel, war ein friedliches Dorf. Shaltiel selbst bezeichnete es als
. . . quiet since the beginnings of disturbances . . . not mentioned in reports of attacks on Jews, and one of the few places which has not given a foothold to foreign bands. (Larry Collins, Dominique Lapierre: "O Jerusalem!", p. 272.)
Im Gegenteil: Als eine arabische Gruppe das Dorf zu ihrer Basis machen wollte, wurden sie von den Einwohnern vertrieben. Dabei starb der Sohn des Dorfvorstehers:
When an Arab band tried to make its base there last month the villagers themselves repulsed them, at the cost of the Mukhtar's (headman's) son. (Harry Levin: "Jerusalem Embattled", p. 57, zit. in: Lilienthal: Ebd.).
Lt. New York Times vom 12.4.1948 und New York Herald Tribune vom selben Tag hatte Deir Yassin sogar "eine Art Übereinkunft" mit den umgebenden jüdischen Dörfern geschlossen und friedlich mit ihnen zusammengelebt. Lt. Jon Kimche ("Seven Fallen Pillars: The Middle East, 1915-1950", p. 171) hatte das Dorf zeitweise sogar mit der Jewish Agency zusammengearbeitet. Zudem sei Deir Yassin praktisch das einzige Dorf gewesen, das sich gegenüber arabischen Behörden nicht über eine Gefährdung beschwert habe (Ebd.).

Der Angriff im Rahmen der "Operation Achdut" [= "Einheit" -- KW] erfolgte gegen 4.30 Uhr des 9.4.1948. 132 Männer und Frauen aus Irgun und Stern-Bande fielen über das schlafende Dorf her. Ihnen stellten sich etwa ein Dutzend Wachposten mit Mauser-Pistolen und türkischen Musketen entgegen (Lapierre/Collins: Ebd.).

Auch wenn sich später die Haganah, der Vorläufer der IDF (Israeli Defense Forces), vom Massaker distanzierte, ist unstrittig, daß sie die militärische Ausrüstung für "Achdut" zur Verfügung gestellt hatte. Zudem veröffentlichte die Irgun am 11.4.1948 in ihrer Zeitung Ha-Mashkif einen Brief David Shaltiels. Darin lesen wir:
I wish to point out that the capture of Deir Yassin and holding it is one stage in our general plan. [...] I have no objection to your carrying out the operation provided you are able to hold the village . . . if foreign forces enter the place this will upset our plans for establishing an airfield. (Zit. in: David Hirst: "The Gun and the Olive Branch. The Roots of Violence in the Middle East", p. 279)
Was sich genau abspielte, ist Augenzeugenberichten zu entnehmen. In "The Ethnic Cleansing of Palestine" des israelischen Historikers Ilan Pappé finden wir die Aussage eines damals zwölfjährigen Jungen namens Fahim Zaydan:
They took us out one after the other; shot an old man and when one of his daughters cried, she was shot too. Then they called my brother Muhammad, and shot him in front us, and when my mother yelled, bending over him -- carrying my little sister Hudra in her hands, still breastfeeding her -- they shot her too. (Daniel McGowan and Matthew C. Hogan: "The Saga of the Deir Yassin Massacre, Revisionism and Reality", zit. in Pappé, p. 90.)
Bei Morris lesen wir:
Deir Yassin is remembered not as a military operation, but rather for the atrocities committed by the IZL and LHI troops during and immediately after the drawn-out battle: Whole families were riddled with bullets and grenate fragments and buried when houses were blown up on top of them; men, women and children were mowed down as they emerged from houses; individuals were taken aside and shot. At the end of the battle, groups of old men, women, and children were trucked through West Jerusalem's streets in a kind of "victory parade" and then dumped in (Arab) East Jerusalem. (Morris, p. 208.)
Der Beauftragte des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes Jacques de Reynier, der am Tatort eintraf, berichtete, daß ihn Irgun-Terroristen zunächst daran hindern wollten, den Schauplatz genauer zu untersuchen. Er setzte sich dennoch durch und schrieb in seinem Bericht:
The first thing I saw were people running everywhere, rushing in and out of the houses, carrying Sten guns, rifles, pistols and long ornate knives. . . . They seemed half mad. I saw a beautiful girl carrying a dagger still covered with blood. I heard screams. The German member of the Irgun explained, "We're still mopping up." All I could think of was the SS troops I'd seen in Athens. (Jacques de Reynier: "A Jérusalem un Drapeau Flottait Sur La Lagne de Feu", p. 213, zit. in: Lilienthal, p. 155.)
Nach mehreren Besuchen in Deir Yassin erhielt de Reynier in seinem Büro Besuch von Herren in Zivil:
After another visit to Deir Yassin I went back to my office where I was visited by two gentlemen, well-dressed in civilian clothes, who had been waiting for me for more than an hour. They were the commander of the Irgun detachment and his aide. They had prepared a paper that they wanted me to sign. It was a statement to the effect that I had been very courteously received by them, and obtained all the facilities I had requested, in the accomplishment of my mission, and thanking them for the help I had received. As I showed signs of hesitation and even started to argue with them, they said that if I valued my life, I had better sign immediately. The only course open to me was to convince them that I did not value my life in the least. (Hirst, p. 253.)
Ein weiterer Augenzeuge wartete 24 Jahre, bevor er am 2.4.1972 in der israelischen Tageszeitung Yediot Aharonot sein Schweigen brach. Meir Pa'el, ein zum Tatzeitpunkt  junges Mitglied der Spezialeinheit Palmach, berichtete:
It was noon when the battle ended and the shooting stopped. Things had become quiet, but the village had not surrendered. The Etzel [Irgun] and Lehi [Stern] irregulars left the places in which they had been hiding and started carrying out cleaning up operations in the houses. They fired with all the arms they had, and threw explosives into the houses. They also shot everyone they saw in the houses, including women and children -- indeed the commanders made no attempt to check the disgraceful acts of slaughter. I myself and a number of inhabitants begged the commanders to give orders to their men to stop shooting, but our efforts were unsuccessful. In the meantime some twenty-five men had been brought out of the houses: they were loaded into a freight truck and led in a 'victory parade' , like a Roman triumph, through to Mhaneh Yahuda and Zakhron Yosef quarters [of Jerusalem]  At the end of the parade they were taken to a stone quarry between Giv'at Sha'ul and Deir Yassin and shot in cold blood. The fighters then put the women and children who were still alive on a truck and took them to the Mandelbaum Gate. (Zit. in: Hirst, p. 251.)
Der Bericht wurde an Israel Galili gesandt, den Oberkommandierenden der Haganah.
Alle diejenigen Einwohner des Dorfes, die Widerstand geleistet hatten, wurden nicht zu den zivilen Opfern gerechnet. Hatte de Reynier noch 254 Tote gezählt, u. a. 145 Frauen,  darunter 45 Schwangere (Polk/Stamler/Asfour, p. 291), reduzierte sich nach und nach die offizielle Zahl der Ermordeten auf 93. Sehr praktisch.

Der Behauptung, es habe sich bei den Opfern um viele "Kämpfer" gehandelt -- verteidigen darf man sich nicht, wenn die Terroristen kommen --, steht ein Augenzeugenbericht des Haganah-Mitgliedes Eliyahu Arieli entgegen:
All of the killed, with very few exceptions, were old men, women or children. The dead we found were all unjust victims, and none of them had died with a weapon in their hands. (Collins/Lapierre, p. 279)
Offensichtlich müssen die "Kämpfer" zu dem Zeitpunkt schon beerdigt worden sein, weil nur noch unschuldige Opfer zu sehen waren. Lt. Morris berichtete Mordechai Gishon am 10.4.1948:
Their commander [i.e., the IZL?] says that the order was: to capture the adult males and to send the women and children to Motza. In the afternoon [of April 9], the order was changed and became to kill all the prisoners . . . The adult males were taken to town in trucks and paraded in the city streets, then taken back to the site and killed with rifle and machine-gun fire. Before they were put on the trucks, the IZL and LHI men searched the women, men, and children [and] took from them all the jewelry and stole their money. The behavior toward them was especially barbaric [and included] kicks, shoves with rifle butts, spitting and cursing (people from [the Western Jerusalem neighborhood of] Giv'at Shaul took part in the torture). (Morris, p. 208.)
Beim gleichen Autor finden wir Auszüge aus dem Bericht des Jerusalemer Shai-Kommandeurs Levy vom 12.4.1948:
. . . the conquest of the village was carried out with great cruelty. Whole families -- women, old people, children -- were killed, and there were piles of dead [in various places]. Some of the prisoners moved to places of incarceration, including women and children, were murdered viciously by their captors. (Ebd.)
Dieses "piles of dead", von mir in einem Kommentar als "riesige Berge Ermordeter" bezeichnet, nimmt der Autodikat Hebold nun als Nachweis für mangelnde Englischkenntnisse und für Fälschungsabsichten. Hasbara-Taktik: Persönliche Meinungsäußerung verfälschen zu Zitaten, dann das selbst gefälschte Ergebnis als einzigen Gegenbeweis heranziehen. Weiter im Text:

Derselbe Levy berichtete am 13.4.1948 noch einmal:
LHI members tell of the barbaric behavior [hitnahagut barbarit] of the IZL toward the prisoners and the dead. They also relate that the IZL men raped a number of Arab girls and murdered them afterward (we don't know if this is true). (Ebd., Hervorhebung im Original.)
Der britische Verhöroffizier Assistant-Inspector General Richard Catling fügte einem der Berichte über Deir Yassin seinen Kommentar hinzu:
On 14th April at 10 a.m. I visited Silwan village accompanie  by a doctor and a nurse from the Government Hospital in Jerusalem and a member of the Arab Women' s Union. We visited many houses in this village in which approximately some two to three hundred people from Deir Yassin are housed. I interviewed many of the womenfolk in order to glean some information on any atrocities committed in Deir Yassin but the majority of those women are very shy and reluctant to relate their experiences especially in matters concerning sexual assault and they need great coaxing before they will divulge any information. The recording of statements is hampered also by the hysterical state of of the women who often break down many times whilst the statement is being recorded. There is, however, no doubt that many sexual atrocities were committed by the attacking Jews. Many young school girls were raped and later slaughtered. Old women were also molested. One story is current concerning a case in which a young girl was literally torn in two. Many infants were also butchered and killed. I also saw one old woman who gave her age as one hundred and four who had been severely beaten about the head with rifle butts. Women had bracelets torn from their arms and rings from their fingers, and parts of some of the women's ears were severed in order to remove earrings. (Report of the Criminal Investigation Division, Palestine Government, No. 179/110/17/GS, 13, 15, 16 April 1948, zit. in: Hirst, p. 250 f.)
Die Zahl der 254 Ermordeten wurde auch von der Jewish Agency und der Haganah-Führung übernommen. Diese angeblich zu hohe Zahl wurde auch deswegen verwendet, um Panik unter der palästinensischen Bevölkerung zu erzeugen, auf daß sie ihre Dörfer verließen -- das nennt die UN heute "ethnische Säuberung". Derartiges Verhalten war die Begründung für die Bombardierung Serbiens durch die NATO.

Menachem Begin war nicht faul, als Grund für das Massaker "mörderisches" Feuer aus den Mauser-Pistolen und den Musketen anzugeben. Außerdem gab er an, daß ein Lautsprecherwagen die Einwohner gewarnt hatte. Zum einen möchte man fragen, seit wann Gegenwehr gegen einen brutalen Überfall verboten ist, zum anderen hatte Begin wohl vergessen, daß der Lautsprecherwagen liegengeblieben und offensichtlich keine Ansage gehört worden war (Hirst, p. 249; Morris, p. 208; Lilienthal, p. 154; Hart, p. 277).

Welche Lautsprecher allerdings funktionierten, waren die, die fortan palästinensischen Dörfern androhten, ihnen das Schicksal Deir Yassins zuteilwerden zu lassen. Lt. Morris bezeichnete der IDF-Geheimdienst das Massaker als "einen entscheidenden Beschleunigungsfaktor" für den arabischen Exodus aus Palästina (Morris, p. 209).

Die Folge des Massakers war die Intensivierung der Spirale der Gewalt; ein jüdischer Konvoi mit Professoren und Krankenschwestern wurde trotz aller Gegenwehr der Palmach am Mt. Scopus zerstört. Lt. Pappé (p. 91) wurden danach die palästinensischen Dörfer Qalunya, Saris, Beit Surik und Biddu vernichtet.

Seit kurzem ist die israelische Journalistin Tia Tarachansky dabei, eine DVD mit Aussagen von Augenzeugen der ethnischen Säuberung Palästinas aus den Reihen der Täter zusammenzustellen. Hier ist die entsprechende Website mit dem Trailer (leider nur auf Englisch): Klick! Darin lesen wir:
Hava Keller, ebenfalls eine Veteranin von 1948, war in einer der ursprünglichen Siedlungen stationiert und nahm an den massenhaften Vertreibungen der Palästinenser von Be’er Sheva teil. "Jeder in einer kämpfenden Einheit beteiligte sich an Vertreibungen", sagt sie. "Am Ende des Krieges arbeitete ich in der Landwirtschaft, und jeden Tag fuhren wir an einem palästinensischen Dorf vorbei. Eines Morgens ging ich wie üblich zur Arbeit […] als ich zurückkam -- kein Dorf. Sie beschreibt die systematische Zerstörung von hunderten palästinensischer Städte und den Versuch, die Vergangenheit umzuschreiben.

Meiner Meinung wird es erst dann einen Frieden im Nahen Osten geben können, wenn die israelische Führung bereit ist, einen Gedenkstein für Dörfer wie Deir Yassin (und erst recht Dawaymeh mit "Hunderten" von Toten -- s. o.) zu errichten.