Mittwoch, 4. März 2015

Oliver Thränert: "Wo Netanyahu recht hat"

Der Autor ist lt. Tagesspiegel Leiter des Center for Security Studies in Zürich. In seinem Artikel mit dem oben genannten Titel äußert er sich dahingehend, daß der Iran angeblich verlorengegangenes Vertrauen, das er durch angeblich nicht offengelegte Schritte in seinem zivilen Atomprogramm verspielt habe, durch "Zurückhaltung bei der Urananreicherung" wiedergewinnen sollte.

Eine eigenartige Formulierung. Der Iran zeigte diese Zurückhaltung von Anfang an. Zunächst einmal gab das Land das waffenfähige Uran, in dessen rechtmäßigem Besitz es war, nach der Revolution ab und ließ seinen Forschungsreaktor amerikanischen Designs auf die Verwendung mit niedrig angereichertem Uran (LEU) umrüsten. Der Iran erklärte sich auch bereit, das Additional Protocol v3.1 zeitweise in Kraft zu setzen, und stellte dessen Ratifikation in Aussicht, würden denn die Sanktionen, die das "unveräußerliche Recht" auf die zivile Nutzung der Atomenergie (NPT, Artikel IV(1) beeinträchtigten, aufgehoben.

Dies ist nicht geschehen, im Gegenteil: Die Sanktionen wurden über die Jahre verschärft. 2009 schlossen der Iran, die Türkei und Brasilien ein Abkommen ab, dessen Inhalt den Forderungen Barack Obamas in seinem Brief an die IAEA vollends entsprach. Es war die mögliche künftige Präsidentin der USA, Hillary Clinton, die dieses Abkommen in Herrenmenschenmanier aus der Umlaufbahn schoß -- am amerikanischen Wesen soll die Welt genesen.

Im Iran sind durch die IAEA zigtausend Mannstunden Kontrollen absolviert worden. Die Kette des radioaktiven Materials ist unter vollständiger Kontrolle. Die Anreicherungsanlagen sind unter vollständiger Kontrolle. Es gibt keinerlei Abweichung der Anlagen von den der IAEA vorgelegten Designs. Es gibt kein Uran, das als verschwunden deklariert wird. Es gibt kein militärisches Programm. Die einzige Passage, die Fragen aufwirft, ist eine wie diese:
71. While the Agency continues to verify the non-diversion of declared nuclear material at the nuclear facilities and LOFs declared by Iran under its Safeguards Agreement, the Agency is not in a position to provide credible assurance about the absence of undeclared nuclear material and activities in Iran, and therefore to conclude that all nuclear material in Iran is in peaceful activities.
Diese Aussage trifft für jeden Staat der Welt zu. Für Togo kann nicht festgestellt werden, daß es kein nicht angegebenes nukleares Material gibt. Auch nicht für die Bundesrepublik Deutschland. Was aber auf jeden Fall gilt, ist, daß kein Uran verschwunden ist.

Thränert spricht von Verhandlungen, in denen es um die "erlaubte" Zahl der iranischen Zentrifugen gehe. Das ist absurd. Der Iran darf Zentrifugen haben, so viele er will, sofern er sie rechtzeitig bei der IAEA anzeigt. Das ist ein Recht des Landes aus NPT Artikel IV(2). Anschließend fordert er intensivere Kontrollen im Iran. Das kann er gern tun, es gelten aber die Abkommen des Iran mit der IAEA. Zu mehr als den verabredeten Safeguards ist der Iran nicht verpflichtet, Thränerts Forderungen hin, Thänerts Forderungen her.

Zum Schluß unterstellt der Autor auf erstaunlich ahnungslose Weise, der Iran dürfe nach Ablauf einer Frist von zwei Jahren die Umsetzung des Zusatzprotokolls von sich aus beenden. Hier irrt sich der Experte. Der Iran ist zu keiner Umsetzung des APv3.1 verpflichtet. Kein NPT-Staat ist das.

Den Gipfel aber stellt die Aussage dar, der Iran müsse die Hosen herunterlassen, um zu einem "normalen" Staat zu werden. Thränert schreibt diese Zeilen in einem Artikel mit dem Titel "Wo Netanyahu recht hat". Israel hat sich sein Atomwaffenprogramm als Belohnung für den Angriffskrieg gegen Ägpyten grundausstatten lassen, raubte im Schutz seiner Kanonenboote auf dem Mittelmeer 200 Tonnen Uran vom EURATOM-Frachter MS Scheersbergs A, stahl waffenfähiges Uran aus der Tarnfirma NUMEC in den USA und klaute gleich noch Mikrowellenröhrenverstärker, ohne die eine Atomwaffe damals nicht gezündet werden konnte. Israel blockiert heute noch mit seiner Boykottpolitik die Schaffung eines WMD-freien Nahen und Mittleren Ostens.

Wo Netanyahu recht hat? Wo seine Hunde bellen, obwohl die Karawane längst weitergezogen ist.